Dienstag, 10. September 2024

Nationalbank: Überschüssige Devisenanlagen zur Stärkung des Einlegerschutzes verwenden



Die Bilanzsumme der Nationalbank per Mitte 2024 liegt mit ca. 820 Milliarden Franken leicht höher, als das Bruttoinlandprodukt (BIP) mit ca. 800 Milliarden, also der gesamten Wertschöpfung der Schweizer Wirtschaft per 2023.

Eine weltweite Ausnahmesituation.

In der Eurozone beträgt die Zentralbanken-Bilanzsumme lediglich ca. 40 Prozent des BIP, in den USA ca. 20 Prozent. Massiv höher als das BIP ist nur die Bilanz der Bank of Japan.

Der grösste Posten der aufgeblähten SNB-Bilanz sind die 720 Milliarden Franken Devisenanlagen.

Diese entstanden durch Eurokäufe, welche die SNB seit der Finanzkrise 2008 zur Schwächung des Aufwertungsdruckes auf den Franken tätigte.

Nachdem sich der Aufwertungsdruck ab Mitte 2022 verminderte, macht er sich zurzeit wieder voll bemerkbar.

Gestern, am 9. September 2024 galt der Dollar noch ca. 85 Rappen, der Euro ca. 94 Rappen.

Diese Kursavancen des Frankens zu Euro und Dollar zeigen, dass die Funktion des Schweizerfrankens als sicherer kommerzieller Hafen in Zeiten von Währungs- und Wirtschaftskrieg (noch) intakt ist. Während die politische Neutralität der Schweiz heute in Russland, China und anderswo zunehmend angezweifelt wird, 

Sollte die SNB wieder gezwungen sein, den Frankenkurs mit grösseren Euro- und Dollarkäufen im Interesse von Exportwirtschaft und Tourismus zu schwächen, flankiert noch von einer zweiten Negativzinsrunde, müssten die bereits übermässig aufgeblähten SNB-Devisenanlagen rasch weiterwachsen. Was das Verhältnis der SNB-Bilanzsumme zum BIP in unerwünschte japanische Dimensionen katapultieren würde.

Der Abbau bestehender Devisenanlagen bremst diese unerwünschte Entwicklung und erweitert damit gleichzeitig den Spielraum SNB-Geldpolitik für Euro- und Dollarkäufe zur Schwächung des Aufwertungsdruckes.  

Doch wie sollen die Devisenanlagen abgebaut werden?

Eine Möglichkeit besteht darin, die bestehende Einlagensicherung esisuisse mit einem aus überschüssigen SNB-Devisenanlagen alimentierten Einlegerschutz-Fonds zu stärken.

Esisuisse garantiert als Bankkunden-Kollektivversicherung die sofortige Auszahlung der Bankguthaben von Privatkunden und Firmenkunden bis zu 100'000 Franken im Konkursfall einer Bank, auch wenn das Institut über keine Liquidität mehr verfügt. 

Per Ende 2022 lagen auf den Schweizer Banken rund 500 Milliarden gesicherte Guthaben, davon ca. 290 Milliarden bei den vier systemrelevanten Grossinstituten.

Davon müssen die Banken lediglich 1.6 Prozent oder 7.9 Milliarden hinterlegen, davon die Hälfte in Geld und Wertschriften.

Das reicht wohl für den Crash einzelner kleiner und mittlerer Institute. Kommt es zu einer generalisierten Bankenkrise oder dem Crash eines systemrelevanten Grossinstitutes, ist das Esisuisse-System überfordert. Dann muss der Bundesrat mit Notrecht ran.

Ein mit, sagen wir 360 Milliarden Franken überschüssiger SNB-Devisenanlagen geäufneter Fonds, aufgesetzt als bilanzmässig und rechtlich eigenständige Annex-Anstalt der SNB, könnte auch eine solche Grosskrise verkraften.

Und überdies die Voraussetzung dafür schaffen, damit auch die heute nicht gedeckten Guthaben auf Freizügigkeits- und Säule 3a-Konti zu versichern. Sowie die nötige Erhöhung des versicherten Betrages in die Wege zu leiten.

Ein solcher Fonds läuft auf eine explizite Staatsgarantie für Lohnkonti, Spar- und Vorsorgegelder der breiten Bevölkerung hinaus, ähnlich der impliziten Staatsgarantie für die milliardenschweren, vier systemrelevanten Schweizer Finanzgruppen.

Soweit sogut, doch ist die Vergesellschaftung von 80 Prozent der gegenwärtigen SNB-Devisenanlagen sowohl mit dem Mandat der SNB, als auch mit den Erfordernissen der Geldpolitik  kompatibel?

Ich meine ja.

Was die Mandatskonformität betrifft, erweitert der Abbau von Devisenanlagen zum einen den Spielraum geldpolitischer Devisenmarktinterventionen, was die Wirksamkeit der Inflationsbekämpfung verbessert, und fördert zum anderen die Finanzstabilität durch Stärkung des Einlegerschutzes. Beides liegt im wirtschaftlichen Landesinteresse, dem die SNB verfassungsmässig verpflichtet ist.

Der grösste Teil der SNB-Devisenanlagen dient zur Deckung der Giroeinlagen des Bankensystems bei der SNB in der Höhe von 442 Milliarden Franken.

Wobei diese Giroeinlagen nicht durch Einzahlungen der einzelnen Institute bei der SNB entstanden, sondern durch Einbuchung von selbst geschöpftem Girogeld durch die SNB als Bezahlung für gelieferte Euros.

Das SNB-Girogeld, auch Zentralbankengeld genannt, zirkuliert nicht in der realen Wirtschaft, sondern ausschliesslich zwischen SNB und Banken und Finanzgesellschaften. Wieviel solches Girogeld, auch Zentralbankengeld genannt, das Bankensystem bei der SNB halten soll, oder anders formuliert die optimale Grösse der SNB-Bilanz, ist umstritten.

Nicht umstritten ist hingegen, dass die SNB-Bilanz enorme überschüssige Devisenanlagen enthält, welche den geldpolitischen Spielraum der SNB beschränken, die Frage ist bloss wieviel?

Wohlverstanden, um den Betrag von 360 Milliarden für den hier ventilierten Einlegerschutz-Fonds geht es nicht. 

UBS-Ökonom Maxime Botteron beispielsweise, schätzte den Überschuss der SNB-Devisenanlagen in seiner kürzlich veröffentlichen Studie SNB balance sheet: What is the optimal size? auf 250 Milliarden. Und empfiehlt selbstredend nicht, dieses Geld im Kollektivinteresse zum Einlegerschutz für kleine Bankkundinnen und Kunden zu verwenden, sondern im Kollektivinteresse steigender Gewinnmargen für das private Bankensystem.


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