Montag, 23. Dezember 2019

Crédit Suisse: Tidjane Thiam bleibt, Paris übernimmt, Wall Street ist out und die NZZ macht einen auf billigen Moralismus

Erstaunlicherweise bleibt Tidjane Thiam auch nach der von der NZZ angestossenen zweiten Runde im CS-Spitzel-Skandal Chef der früher schweizerischen Grossbank.

Üblicherweise muss ein Bankchef seinen Sessel nach einem derart dramatischen Vertrauensverlust räumen. Weshalb nicht Thiam?

Die Erklärung ist einfach: Der Verwaltungsrat und die Grossaktionäre halten ihn die Stange.

Wer sitzt im CS-Verwaltungsrat, wer sind die CS-Grossaktionäre?

Der Verwaltungsrat (VR) bietet das übliche Bild einer globalisierten Grossbank. Die VR-Mitglieder, Frauen und Männer, sind Karrierefiguren des anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus neoliberaler Prägung. Da sind welche, die haben ihre Wurzeln noch an der alten Wall Street, bei Goldman Sachs, Bank of America, AIG etc.. Weiter sind da neoliberale Karrierefrauen und globalisierte Profi-Verwaltungsräte mit fleckenlosem Leistungsausweis.

Und schliesslich sitzt da auch Alexander Gut, der Sohn des grossen alten Mannes der CS, der die alte Schweizerische Kreditanstalt 1976 nach dem existenzbedrohenden Chiasso-Skandal (Steuerhinterziehung, Geldwäscherei) an die Wall Street gebracht hatte. CS-Präsident ist ein Schweizer Wirtschaftsanwalt, sein Vize ist der Roche-CEO, die vertreten das Suisse im Namen.

Wer sind die grossen CS-Aktionäre?

Zwei Pensionkassenkapitalisten, nämlich der Norwegische Staatsfonds und Blackrock halten zusammen ungefähr 10 Prozent. Zwei Ölkapitalisten, nämlich der Katar-Staatsfonds und die Saudische Olayan Group halten zusammen ebenfalls ungefähr 10 Prozent. Harris Associates, Chicago schliesslich, kontrolliert mit zugewandten Orten nochmals ungefähr 10 Prozent.

Zu diesen 30 Prozent kommen etwa 20 Prozent institutionelle Anleger aus der ganzen Welt, davon etwa die Hälfte aus der Schweiz.

Vielleicht 45 Prozent des Aktionariats sind grössere und kleinere Einzelaktionäre, davon kommen unter 10 Prozent aus der Schweiz. Zusammen mit den hiesigen Institutionellen liegen damit insgesamt etwa 20 Prozent der CS-Aktien in der Schweiz.

Was wollen diese Aktionäre?

Hier wird es interessant, weil sowohl die aktuelle Geopolitik ins Spiel kommt, als auch der Niedergang des anglo-amerikanischen Finanzkpitalismus neoliberaler Prägung, kurz Wall Street genannt.

Was den Niedergang des globalisierten Wall-Street-Banking betrifft, so hatte der heutige CS-Ehrenpräsident Rainer Gut seine Bank wie erwähnt  bereits vor über 20 Jahren voll amerikanisiert. John Mack, Frank Quattrone, you name'em. Eine Schweizer Bank ist die CS schon seit den 1990er Jahren nicht mehr.

Die Finanzkrise 2007/08 erlebte die CS, anders als die UBS, als amerikanische Bank. Statt zig Milliarden Nothilfe von Bundeskasse und Nationalbank zu beanspruchen, stärkte sie ihr Eigenkapital mit selbstgedrucktem Geld.

War ganz einfach: Die CS gewährte dem Katar-Staatsfonds einen Milliardenkredit in mittlerer einstelliger Höhe, den die Kataris postwendend in CS-Aktienkapital wandelten.

Das ist über zehn Jahre her. Mittlerweilen sind die Paradeplatz-Amis durch die Hintertüre abgeschlichen. Okay, einige Kontrolleure sind wohl immer noch da, aber im Aktionariat, Verwaltungsrat und Top-Management der CS sind die relevanten Top-Player von der Wall Street nicht mehr vertreten.

Wer hat sie abgelöst? Welche der drei weiter oben definierten drei Grossaktionärsgruppen sitzt heute bei der CS im Drivers Seat?

Die Pensionskassenkapitalisten Oljefondet und Blackrock sind es nicht, als passive institutionelle Investoren sind sie am Ertrag interessiert. Beide können beide keine globalisierte Grossbank führen.

Dito die Ölscheichs aus Saudiarabien und Katar.

Bleiben noch Harris Associates, Chicago. Das sind Franzosen. Harris gehört zu 100 Prozent der französischen Vermögensverwalterin Natixis Global Asset Management, die ihrerseits von der französischen Bankengruppe BPCE, kontrolliert wird.

BPCE entstand 2009 aus dem Zusammenschluss Groupe Caisse d’Epargne (Sparkasse) und der Groupe Banque Populaire (Volksbank) und ist die zweitgrösste Bankengruppen Frankreichs. Die führende Rolle bei diesem Zusammenschluss spielte François Pérol,  Inspecteur des Finances im Finanzministerium, Bürochef der französischen Industrie- und Finanzminister Francis Mer (2002-2004) und Nicolas Sarkozy (2004), 2007 avancierte er zum Wirtschaftsberater von Präsident Sarkozy, von 2009-2018 leitete er die BPCE.

Alles deutet darauf hin, dass die Pensionskassenkapitalisten und Ölscheichs im CS-Grossaktionariat der BPCE-, oder sollte man besser sagen den Pariser Staatskapitalisten, die Führungsrolle der CS überlassen haben.

Das Interesse der BPCE an einer der zwei Grossbanken des Frankenraums liegt auf der Hand. Die Bank ist stark im Zahlungsverkehr und bekommt mit der CS einen Fuss in die Zahlungs-und Börseninfrastruktur des Frankenraums (SIC, SIX) - Auch gut zur Absicherung der französischen Realwirtschaft vor den Folgen eines jederzeit möglichen Euro-Crashs.

So gesehen bekommen die Bespitzelungen des einstigen Funktionärs des französischen Finanzministeriums und Thiam-Buddys Pierre-Olivier Bouée einen geopolitischen Dreh. Und es macht Sinn, dass die BCPE-Bosse in Paris an Thiam festhalten, bis ein valabler Ersatz gefunden ist.

Wie die Bespitzelungen im Thiam-CS-Management mit dem Geschäft der UBS, besonders in Deutschland zusammenhängen, oder auch mit dem Prozess gegen die SBG Paris, wäre zu untersuchen. Im Fall von gröberen Problemen mit dem Euro sind die Position der Schuldnernation Frankreich und der Gläubigernation Deutschland unterschiedlich.

Die NZZ-Serie die die zweite Runde des CS-Skandals auslöste, hat die französischen Grossaktionäre nicht erwähnt und damit die geopolitischen Aspekte der Bespitzelungen ignoriert. Statdessen forderte das Blatt vom CS-Verwaltungsrat lediglich die Wiederherstellung der internen und externen Glaubwürdigkeit als "hohes Gut im Bankgeschäft.