Freitag, 24. Februar 2023

Pietro Supino im Fadenkreuz des Spiegels

Weshalb zieht die vom Spiegel losgetretene Canonica-Roshani-Geschichte derart weite Kreise bis hin zur Umstruktuierung der Tamedia-Redaktionshierarchie?

Weshalb erachtete das grösste deutsche Nachrichtenmagazin einen redaktionsinternen Konflikt der Wochenendbeilage einer Schweizer Tageszeitung aus der TX-Group als wichtig genug für einen unfreundlichen Artikel?

Am Reizthema Frauendiskriminierung durch sexistischen Chefredaktor kann es meines Erachtens nicht liegen. Dafür hätten die Hamburger nicht nach bis Zürich zum Magazin kommen müssen.

Umso mehr, als dass einige Anwürfe von Anuschka Roshani gegen Finn Canonica im Spiegelartikel durch neuaufgetauchte Fakten relativiert werden, sodass Canonicas inkriminierter Sexismus geradesogut als geschlechtsneutrale Kampfgeste zur Verteidigung seines Chefredaktorenamtes gegen eine langjährige Konkurrentin verstanden werden kann.

Für meinen Teil sehe ich noch eine andere mögliche Motivation zur Publikation dieses Artikels im Spiegel. Nämlich die Absicht, allfällige Ambitionen von TX-Group VR-Präsident und CEO Pietro Supino in Deutschland zu unterlaufen.

Was viele nicht wissen, der Italo-Schweizer Supino ist ein Verleger von europäischem Format. Über sein VR-Mandat bei der grössten italienischen Print-und-Radio-Gruppe Gedi (Repubblica, Espresso uam.) hat er einen direkten Draht zum Gedi-Präsidenten und Hauptaktionär, dem Agnelli-Erben John Elkann. Dessen Familienholding Exor besitzt nebst den Autos auch 40% der Londoner Zeitschrift The Economist, einem wichtigen Sprachrohr des wiederauferstandenen Westblocks unter der Führung der USA.

Auch Supinos enge Zusammenarbeit mit der Südddeutschen basiert nicht bloss auf der damit gegebenen Einsparmöglichkeit von teuren Auslandkorrespondenten. Es dürfte auch andere Ambitionen geben.

Die Eigentümerschaft der Südddeutschen ist zersplittert, was zwar bei der TX-Group auch der Fall ist, doch die haben einen starken Mann. Nicht ausgeschlossen dass die Mehrheit der Eignerfamilien der Süddeutschen auf die Idee kommen, dem finanziell erfolgreichen Verleger Supino einen Platz im strategischen Führungsgremium anzubieten.

Wie alle Deutschen Mainstreammedien stehen auch die Transatlantiker von der Sueddeutschen vor der schwierigen Aufgabe, ihre zahlende Leserschaft mindestens zu halten, besser zu vergrössern, während die Ampelregierung gleichzeitig eine Aussenpolitik macht, die von dieser Leserschaft unter dem Banner der moralisch gebotenen Ukrainesolidarität immer grössere materielle Opfer verlangt.

In dieser Situation könnte der in der Schweiz und Italien vernetzte Supino bei der Süddeutschen einen Beitrag dazu leisten, wie man in der deutschen Publizistik Geld verdient, auch wenn Deutschland aussenpolitisch als struktureller Nettozahler im US-geführten Westblock agiert.

Was Supinos Kontakte zum Spiegel betrifft, so wechselte sein einstiger persönlicher Mitarbeiter Christoph Zimmer, später TX-Group-Geschäftsleitungsmitglied, im vergangenen November zum Spiegel, wo er als neuer Leiter der Produktentwicklung gemeinsam mit der Geschäftsleitung die Pay-first Strategie für die Marken der SPIEGEL-Gruppe vorantreiben soll.

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