Freitag, 7. Februar 2020

Die NZZ hat Thiam erschossen - Der Kampf um die Credit Suisse geht weiter

Bis zum vergangenen 17. Dezember galt die Affäre Iqbal Khan als bedauerlicher Einzelfall.

Die Überwachungsaktion der Credit Suisse (CS) gegen ihren einstigen Spitzenmanager Iqbal Khan wurde untersucht, CS-CEO Tidjane Thiam habe nichts davon gewusst, sagte das mit der Untersuchung beauftragten Anwaltsbüro, ein Sündenbock wurde entlassen und CS-Präsident Urs Rohner stellte sich hinter Thiam.

Dann gab die NZZ mit einer dreiteiligen Serie über einen weiteren CS-Observationsfall Thiam zum Abschuss frei.

Das Halali konnte beginnen. Den Vogel abgeschossen hat Sonntagszeitungs-Chefredaktor Arthur Rutishauser mit nebulösen Vorwürfen, die CS habe Greenpeace infiltriert. Als Reaktion auf Rutishausers Artikel warf die linke Wochenzeitung WOZ die Frage auf, ob diese "Geschichte einer weiteren Intrige in der CS-Soap, mit dem Ziel (entspringt), den angeschlagenen Bankchef Tidjane Thiam aus dem Amt zu drängen."

Sorry WOZ, aber der Begriff "CS-Soap" ist voll daneben.

Der Kampf um die Führung in der CS ist keine Soap Opera. Es ist ein Kampf zwischen deutschen und französischen Finanzinteressen. Es geht um die Führung der zweitgrössten Bank des Franken-Währungsraumens in den Positionskämpfen der Finanzplätze London, Frankfurt und Paris in der Eurokrise nach dem Brexit.

Der grösste CS-Aktionär BCPE ist französisch. Zwischen BCPE und dem französischen Bankensystem insgesamt besteht traditionell eine Drehtürsituation. Der Franco-Ivorier Thiam und andere in der CS kommen aus dieser Umgebung. Die Exponenten des französischen Grossaktionärs haben sich stets für das Verbleiben von Thiam stark gemacht. Dazu kommt, dass der Katar-Staatsfonds als zweitgrösster CS-Aktionär über die Katar-Aussenpolitik geopolitisch eng mit Frankreich verbunden ist.

Der Deutschland-Bezug der CS ist weniger offensichtlich. Deutsche CS-Grossaktionäre gibt es keine, prominente Deutsche im Top-Management wie bei der UBS auch nicht. Geopolitisch ist Angela Merkel im Vergleich zu Emmanuel Macron ein Leichtgewicht.

Der wichtigste Hinweis auf die deutschen Interessen an der CS ist die gegenläufige Interessenlage des französischen und des deutschen Finanz- und Bankensystems im Euroland. Die ersteren sind Schuldner, die zweiteren sind Gläubiger - die entscheidende Differenz wenn der Euro crasht.

Wenn die deutsch fixierte Gujer-NZZ den frankophilen Tidjane Thiam abschoss, meine ich, tat sie das in Stellvertretung deutscher Gläubigerinteressen an einer Kontrolle der CS.

Ob die Identifikation mit den Finanzinteressen des grossen Kantons im Führungskampf bei der CS allerdings auch im Interesse des Finanzplatzes Schweiz liegt, steht auf einem anderen Blatt.

Ich meine nein. Die Zukunft dieser Finanzdrehscheibe liegt im Ausgleich und der Vermittlung. Dazu sind französisch gesteuerte Banken ebenso nötig, wie deutsch, amerikanisch, chinesisch oder russisch gesteuerte.

Im übrigen gilt, Thiams Rücktritt hat den Kampf um die Kontrolle der CS noch nicht entschieden.

Mittwoch, 5. Februar 2020

Frankreich kämpft um die Kontrolle der Credit Suisse

Der grösste Aktionär der Credit Suisse (CS) ist die französische Bankengruppe BPCE.

BPCE ist die 2009 gegründete Holding der französischen Volks- und Genossenschaftsbanken und zweitgrösste Bankengruppe des Landes.

Die führende Rolle beim Aufbau der BPCE spielte François Pérol, Inspecteur des Finances im Finanzministerium, Bürochef der französischen Industrie- und Finanzminister Francis Mer (2002-2004) und Nicolas Sarkozy (2004), 2007 avancierte er zum Wirtschaftsberater von Präsident Sarkozy, von 2009-2018 leitete er die BPCE.

Seit Napoléon im Jahr 1800 die Banque de France gründete, hat die offene Türe zwischen Staat und Banken in Frankreich Tradition. Bevor er in die Politik wechselte, war Präsident Emmanuel Macron bekanntlich Investment Banker bei der Rothschild Bank.

Für die geopolitischen Interessen Frankreichs ist die Kontrolle der zweitgrössten Bank des Franken-Währungsraumes von Bedeutung bei der anstehenden Post-Brexit-Positionierung der Eurofinanzplätze London, Frankfurt und Paris.

Die übrigen CS-Grossaktionäre scheinen anhand ihres Verhaltens in den letzten Monaten mit dem französischen Bestreben einverstanden und überlassen der BPCE bei der CS den Lead.

Allen voran der Staatsfonds des geopolitisch mit Frankreich verbündeten Katar, wo Macron Waffen liefert und Emir Tamim bin Hamad Al Thani gegen Saudi Arabien stützt.

Auf diesem Hintergrund dürfte sich der umstrittene CS-CEO Tidjane Thiam vorerst halten können.

Umso mehr, als CS-Präsident Urs Rohner keinen CS-Grossaktionär mehr hinter sich hat. Die amerikanischen Grossaktionäre die den Wirtschaftsanwalt Rohner 2004 von der deutschen Mediengruppe ProSiebenSat.1 Media AG in die CS-Geschäftsleitung holten, haben sich längst vom Paradeplatz verabschiedet.