Montag, 23. Dezember 2019

Crédit Suisse: Tidjane Thiam bleibt, Paris übernimmt, Wall Street ist out und die NZZ macht einen auf billigen Moralismus

Erstaunlicherweise bleibt Tidjane Thiam auch nach der von der NZZ angestossenen zweiten Runde im CS-Spitzel-Skandal Chef der früher schweizerischen Grossbank.

Üblicherweise muss ein Bankchef seinen Sessel nach einem derart dramatischen Vertrauensverlust räumen. Weshalb nicht Thiam?

Die Erklärung ist einfach: Der Verwaltungsrat und die Grossaktionäre halten ihn die Stange.

Wer sitzt im CS-Verwaltungsrat, wer sind die CS-Grossaktionäre?

Der Verwaltungsrat (VR) bietet das übliche Bild einer globalisierten Grossbank. Die VR-Mitglieder, Frauen und Männer, sind Karrierefiguren des anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus neoliberaler Prägung. Da sind welche, die haben ihre Wurzeln noch an der alten Wall Street, bei Goldman Sachs, Bank of America, AIG etc.. Weiter sind da neoliberale Karrierefrauen und globalisierte Profi-Verwaltungsräte mit fleckenlosem Leistungsausweis.

Und schliesslich sitzt da auch Alexander Gut, der Sohn des grossen alten Mannes der CS, der die alte Schweizerische Kreditanstalt 1976 nach dem existenzbedrohenden Chiasso-Skandal (Steuerhinterziehung, Geldwäscherei) an die Wall Street gebracht hatte. CS-Präsident ist ein Schweizer Wirtschaftsanwalt, sein Vize ist der Roche-CEO, die vertreten das Suisse im Namen.

Wer sind die grossen CS-Aktionäre?

Zwei Pensionkassenkapitalisten, nämlich der Norwegische Staatsfonds und Blackrock halten zusammen ungefähr 10 Prozent. Zwei Ölkapitalisten, nämlich der Katar-Staatsfonds und die Saudische Olayan Group halten zusammen ebenfalls ungefähr 10 Prozent. Harris Associates, Chicago schliesslich, kontrolliert mit zugewandten Orten nochmals ungefähr 10 Prozent.

Zu diesen 30 Prozent kommen etwa 20 Prozent institutionelle Anleger aus der ganzen Welt, davon etwa die Hälfte aus der Schweiz.

Vielleicht 45 Prozent des Aktionariats sind grössere und kleinere Einzelaktionäre, davon kommen unter 10 Prozent aus der Schweiz. Zusammen mit den hiesigen Institutionellen liegen damit insgesamt etwa 20 Prozent der CS-Aktien in der Schweiz.

Was wollen diese Aktionäre?

Hier wird es interessant, weil sowohl die aktuelle Geopolitik ins Spiel kommt, als auch der Niedergang des anglo-amerikanischen Finanzkpitalismus neoliberaler Prägung, kurz Wall Street genannt.

Was den Niedergang des globalisierten Wall-Street-Banking betrifft, so hatte der heutige CS-Ehrenpräsident Rainer Gut seine Bank wie erwähnt  bereits vor über 20 Jahren voll amerikanisiert. John Mack, Frank Quattrone, you name'em. Eine Schweizer Bank ist die CS schon seit den 1990er Jahren nicht mehr.

Die Finanzkrise 2007/08 erlebte die CS, anders als die UBS, als amerikanische Bank. Statt zig Milliarden Nothilfe von Bundeskasse und Nationalbank zu beanspruchen, stärkte sie ihr Eigenkapital mit selbstgedrucktem Geld.

War ganz einfach: Die CS gewährte dem Katar-Staatsfonds einen Milliardenkredit in mittlerer einstelliger Höhe, den die Kataris postwendend in CS-Aktienkapital wandelten.

Das ist über zehn Jahre her. Mittlerweilen sind die Paradeplatz-Amis durch die Hintertüre abgeschlichen. Okay, einige Kontrolleure sind wohl immer noch da, aber im Aktionariat, Verwaltungsrat und Top-Management der CS sind die relevanten Top-Player von der Wall Street nicht mehr vertreten.

Wer hat sie abgelöst? Welche der drei weiter oben definierten drei Grossaktionärsgruppen sitzt heute bei der CS im Drivers Seat?

Die Pensionskassenkapitalisten Oljefondet und Blackrock sind es nicht, als passive institutionelle Investoren sind sie am Ertrag interessiert. Beide können beide keine globalisierte Grossbank führen.

Dito die Ölscheichs aus Saudiarabien und Katar.

Bleiben noch Harris Associates, Chicago. Das sind Franzosen. Harris gehört zu 100 Prozent der französischen Vermögensverwalterin Natixis Global Asset Management, die ihrerseits von der französischen Bankengruppe BPCE, kontrolliert wird.

BPCE entstand 2009 aus dem Zusammenschluss Groupe Caisse d’Epargne (Sparkasse) und der Groupe Banque Populaire (Volksbank) und ist die zweitgrösste Bankengruppen Frankreichs. Die führende Rolle bei diesem Zusammenschluss spielte François Pérol,  Inspecteur des Finances im Finanzministerium, Bürochef der französischen Industrie- und Finanzminister Francis Mer (2002-2004) und Nicolas Sarkozy (2004), 2007 avancierte er zum Wirtschaftsberater von Präsident Sarkozy, von 2009-2018 leitete er die BPCE.

Alles deutet darauf hin, dass die Pensionskassenkapitalisten und Ölscheichs im CS-Grossaktionariat der BPCE-, oder sollte man besser sagen den Pariser Staatskapitalisten, die Führungsrolle der CS überlassen haben.

Das Interesse der BPCE an einer der zwei Grossbanken des Frankenraums liegt auf der Hand. Die Bank ist stark im Zahlungsverkehr und bekommt mit der CS einen Fuss in die Zahlungs-und Börseninfrastruktur des Frankenraums (SIC, SIX) - Auch gut zur Absicherung der französischen Realwirtschaft vor den Folgen eines jederzeit möglichen Euro-Crashs.

So gesehen bekommen die Bespitzelungen des einstigen Funktionärs des französischen Finanzministeriums und Thiam-Buddys Pierre-Olivier Bouée einen geopolitischen Dreh. Und es macht Sinn, dass die BCPE-Bosse in Paris an Thiam festhalten, bis ein valabler Ersatz gefunden ist.

Wie die Bespitzelungen im Thiam-CS-Management mit dem Geschäft der UBS, besonders in Deutschland zusammenhängen, oder auch mit dem Prozess gegen die SBG Paris, wäre zu untersuchen. Im Fall von gröberen Problemen mit dem Euro sind die Position der Schuldnernation Frankreich und der Gläubigernation Deutschland unterschiedlich.

Die NZZ-Serie die die zweite Runde des CS-Skandals auslöste, hat die französischen Grossaktionäre nicht erwähnt und damit die geopolitischen Aspekte der Bespitzelungen ignoriert. Statdessen forderte das Blatt vom CS-Verwaltungsrat lediglich die Wiederherstellung der internen und externen Glaubwürdigkeit als "hohes Gut im Bankgeschäft.

Dienstag, 5. November 2019

Der Iqbal Khan Krimi und die 5-Milliardenbusse der UBS in Paris

Heute war im Online-Newsletter insideparadeplatz zu lesen, Informanten hätten dem Portal zugetragen, dass Iqbal Khan nicht daran denke, seine Strafanzeige gegen die drei von der Crédit Suisse mit seiner Beschattung beauftragen Detektive zurückzuziehen.

Sollte zutreffen, was die von Lukas Hässig zitierten "Involvierten" im Dunkeln munkeln, dann wird auch die UBS in den Iqbal Khan Krimi hineingezogen.

Dies, weil man davon ausgehen muss, dass Khan als neuer Co-Chef der weltweiten UBS-Vermögensverwaltung in einer derart wichtigen Angelegenheit nur Absprache mit seinen Vorgesetzten UBS-CEO Sergio Ermotti und UBS-VR-Präsident Axel Weber agiert.

Was die Frage aufwirft, ob die UBS ein Interesse an Problemen der CS mit der Zürcher Justiz haben könnte.

Aus meiner Sicht hat die UBS durchaus ein Interesse, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft bei der CS herumschnüffelt. Und dereinst vielleicht belegen kann, was viele bereits heute denken. Dass nämlich CS-CEO Thiam von Anfang an über die Beschattung von Khan durch Privatdetektive im Bilde gewesen ist.

Müsste Thiam unehrenhaft demissionieren, wäre das ein Schlag gegen die Interessen der grössten CS-Aktionärin und zweitgrössten französische Bankengruppe BPCE, die bislang eisern an Thiam festhält.

Mit ihrem CS-Engagement verfolgt die BPCE meines Erachtens nicht nur kommerzielle Interessen, sondern auch das geopolitische Interesse des Finanzplatzes Paris an einer starken Position bei einer Grossbank im Frankenraum. Mehr dazu hier, hier und hier.

Weil die Position des Franco-Ivoriers Tidjane Thiam bei der CS nicht zuletzt von Iqbal Kahns Desinteresseerklärung an seiner Strafklage abhängt, lässt sich mit dieser Problematik in Paris vielleicht ein schöner Discount auf die 5-Milliardenbusse herausholen, die das Parquet National Financier der UBS aufgebrummt hat.

Montag, 14. Oktober 2019

Preisfrage: Warum muss CS-Grossaktionär Harris Associates den angeschlagenen Tidjane Thiam verteidigen?

Im Interview mit Bloomberg TV hat der Anlagechef des grössten CS-Aktionärs Harris Associates David Herro gestern den Verdacht geäussert, die ganze Thiam/Khan-Story sei von einer PR-Firma gezielt gestreut worden, um einen Skandal zu produzieren. «Ich glaube, das ist die eigentliche Story», sagte Herro.

Damit hält Herro als Vertreter der grössten CS-Aktionärin dem angezählten CS-CEO weiterhin die Stange. Ganz im Gegensatz zur Mehrheit der hiesigen Kommentare, die Thiam gerne demissionieren sehen würden.

Warum?

Weil die Eigentümerin von Harris Associates, nämlich die zweitgrösste französische Bankengruppe BPCE, mit ihrem CS-Engagement nicht nur kommerzielle, sondern auch geostrategische Interessen verfolgt.

Für BPCE geht es neben dem Finanzertrag auch um die Präsenz auf dem Finanzplatz Schweiz in der neuen Weltfinanzarchitektur. Ohne Thiam, allenfalls einen frankophonen Nachfolger, drohen die bisherigen Positionen verloren zu gehen.

Was BPCE zu verhindern sucht und damit indirekt zeigt, wie wichtig die Chefs in Paris den Finanzplatz Schweiz einstufen.

Samstag, 12. Oktober 2019

Preisfrage: Warum muss Pierre-Olivier Bouée im Verwaltungsrat von SIX bleiben?

Im Zusammenhang mit der dubiosen Khan-Affäre fasste CS-Top-Manager Pierre-Olivier Bouée bei seiner Brötchengeberin einen Fristlosen.

Trotzdem bleibt Bouée im Verwaltungsrat Schweizer Börsenbetreiberin SIX.

Warum? 

Merci au charme discret du capitalisme d'Etat français.

Bei CS hat Bouée nicht bloss sich selber vertreten, sondern, zusammen mit seinem Buddy Tidjane, auch die Interessen der zweitgrössten französischen Bankengruppe BPCE

Aus diesem Grunde muss Bouée vorerst im SIX-VR bleiben. Zumindest solange bis die Franzosen einen passenden Ersatz gefunden haben.

Daran haben meines Erachtens sowohl SIX als auch BPCE ein strategisches Interesse.

Für SIX geht es darum, die französische Stimme weiterhin direkt am Tisch zu haben, etwa bei der laufenden Digitalisierung des Swiss Interbank Clearing (SIC) oder bei der Expansion nach China.

Umgekehrt liegt das Interesse von BPCE am SIX-VR auf der Hand, nachdem SIX beim Aufbau der neuen digitalisierten Infrastruktur der Finanzdrehscheibe Schweiz in die Offensive gegangen ist.

Dabei geht es um das neue gemeinsame Forschungsprojekt von SIX und SNB zur Integration von digitalem Zentralbankgeld in eine Distributed Ledger Technologie-Infrastruktur, das die Abwicklung von digitalen «tokenisierten» Vermögenswerten zwischen Finanzinstituten via SIC ermöglichen soll.

Dienstag, 1. Oktober 2019

Preisfrage: Warum muss Tidjane Thiam Chef der Credit Suisse bleiben?

Ein saftiger Skandal.

Der Chief Operating Officer der Credit Suisse Pierre-Olivier Bouée lässt den ehemaligen Chef des internationalen CS-Vermögensverwaltungsgeschäfts Iqbal Khan bespitzeln.

Darauf werden Bouée und der CS-Sicherheitschef Remo Boccali fristlos entlassen. Die Person die von Boccali den Auftrag fasste die Überwachung zu organisieren suizidiert sich.

CS-Chef Tidjane Thiam als oberster Verantwortlicher verbleibt im Amt.

Thiam habe von der Überwachung nichts gewusst, das habe die Zürcher Anwaltskanzlei Homburger eruiert, sagte CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner an der heutigen Pressekonferenz.

Das glaubt wer will - ich nicht. Vielmehr scheint mir hier der klassische Fall vorzuliegen wo einer seinen Kopf auch für einen anderen hinhalten muss.

Warum?

Thiam und Bouée sind beruflich ein verschworenes Team, das seit ihren ersten gemeinsamen Arbeitgeber McKinsey im Jahre 2000 alle Stellenwechsel gemeinsam machte.

Der Franzose Bouée kommt aus der höheren Beamtenschaft des französischen Wirtschafts- und Finanzministeriums. Thiam, Sprössling einer "grande famille" der Elfenbeinküste, hat in Paris studiert und war vor seinem McKinsey- Job Minister für Forschung und Entwicklung der Elfenbeinküste.

Französischer als Thiam und Bouée gehts nimmer.

Kommen wir nun zur Harris Associates, Chicago, dem Hauptaktionär der Credit Suisse mit etwa 9 Prozent. Harris gehört zu 100 Prozent der französischen Vermögensverwalterin Natixis Global Asset Management, die ihrerseits grossmehrheitlich von der zweitgrössten französischen Bankengruppe BPCE, kontrolliert wird.

Französischer als die genossenschaftlich organisierte Volksbanken- und Sparkassengruppe BCPE gehts nimmer.

Gut ins Bild passt, dass Harris Mann David Herro sich bereits drei Tage vor der heutigen CS-Pressekonferenz als einziger Grossaktionär für das Verbleiben von Thiam bei CS stark gemacht hat. Hauptaktionär Harris will von der CS mehr als eine gute Dividende einkassieren, wie die anderen Grossaktionäre, also der Norwegische Staatsfonds, der Katari-Staatsfonds, die Saudische Olayan Group und Blackrock mit je ungefähr 5 Prozent.

Bei der CS-Beteiligung von Harris/Natixis/BCPE geht es meines Erachtens immer auch um die wirtschaftlichen Interessen der französischen Volksbanken und Sparkassen und damit auch des französischen Staates. BCPE ist die französische Version des Staatskapitalismus.

Dazu passt die undurchsichtige Rolle die Thiam unlängst rund um die französische Scor und deren Chef Denis Kessler spielte, eine 1970 auf Veranlassung der französischen Regierung gegründete Rückversicherung, die auch in der Schweiz von Bedeutung ist.

War alt genug ist durfte miterleben wie die Schweizerische Kreditanstalt nach dem Chiasso Skandal von 1976 unter Rainer Gut zu einer amerikanischen Bank mutierte, mit dem Kauf von First Boston, den Wall-Street-Managern, den amerikanischen Grossaktionären und schliesslich mehr Arbeitsplätzen in den USA als in der Schweiz.

Auch schon wieder Geschichte geworden.

Heute präsentiert sich die CS als eine strategisch von Paris im geopolitischen Orbit der Grande Nation gesteuerte Finanzgruppe. Das "Suisse" im Namen hat nur noch historische Bedeutung, obwohl die CS immer noch von der impliziten "Too-big-to-fail"-Staatsgarantie der Bundeskasse und der SNB profitiert.

Weil die BCPE/Natixis/Harris-Strategen wollen, dass das so bleibt darf Thiam nach einem Skandal nicht von der Kommandobrücke gehen, bevor ein sorgfältig selektionierter Nachfolger zur Verfügung steht.

Womit die Eingangsfrage beantwortet wäre.

Samstag, 27. Juli 2019

SNB-Geldpolitik: - Die Steigerung von Negativzinsen plus Devinsenmarktinterventionen heisst Kapitalverkehrskontrollen

Der Franken ist eine Hartwährung.

Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges vor über 100 Jahren ist eine einzige Abwertung gegen aussen zu verzeichnen (1936). Die Geldentwertung im innern blieb allermeistens tiefer als jene anderer Weltwährungen.

In Zeiten von Wirtschafts- und Handels- und Gewaltskriegen wie heute, wird eine Hartwährung automatisch zur Fluchtwährung. Umso mehr, wenn der betreffende nationale Währungsraum - zumindest auf dem Papier - einer bewaffneten Neutralität verpflichtet ist wie die Schweiz.

Gegenüber dem Franken ist der Euro eine Weichwährung. Seit seiner Einführung als Bargeld 2002 hat er gegenüber dem Franken fast einen Drittel seines ursprünglichen Wertes verloren.

Zurzeit strömt wieder einmal viel Kapital aus dem Euroraum in die Schweiz, folglich ist der Euro gegenüber dem Franken billiger geworden und die SNB muss zur Stützung des Eurokurses wieder Euros kaufen. Expertinnen sprechen bereits von einer nötigen Erhöhung der Negativzinsen auf 1 Prozent.

Die Frage ist nur, ob die Erhöhung der Dosis der bisherigen Medizin gegen den schwachen Euro und seine negativen Auswirkungen auf die Schweizer Volkswirtschaft ausreicht.

Oder ob das politische Mandat der SNB bei chaotischen Entwicklungen der Eurokrise nicht stärkeren Tobak erfordert, nämlich Kapitalverkehrskontrollen.

Kapitalverkehrskontrollen sind Staatsinterventionen im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr durch Überwachung und Kontrolle der im Inland operierenden Finanzinstitute mit dem Ziel, einen unerwünschten Währungstausch zu verringern. Im vorliegenden Fall den Tausch von Euros in Franken.

Einschränkung des freien Kapitalverkehrs Schweiz EU zwecks Schutz der innländischen Arbeitsplätze in der Exportindustrie, im Tourismus und im Detailhandel.

Ein heisses Eisen. Ob es wohl im kommenden Wahlkampf zum Thema wird?

Montag, 1. Juli 2019

KOSMOS: Die SBB sollen ihr 8-Millionen Darlehen in zinsloses Stiftungskapital wandeln

Wäre das Finanzkonzept der Kosmos AG realistisch, hätte NZZ-Freund Edwin van der Geest im grossen Kosmos Theater nicht über Nacht die Rolle des Deus ex Machina übernehmen können.

Die katastrophale Finanzlage der Kosmos AG scheint mir auch der Hauptgrund der Explosion im zuvor auch persönlich befreundeten Gründertrio Samir, Steff und Bruno zu sein.

Die Bilanz (8 Mio.) ist nach mehreren Kapitalerhöhungen immer noch stark überschuldet. Der Betriebsverlust seit Beginn beträgt ca. 3 Millionen. Besserung nicht in Sicht.

In den riskanten, ertragsschwachen Branchen Buch/Kino/Gastro/Lokalvermietung lässt sich das von Samir, Steff und Bruno verbrannte Geld nicht mehr herauswirtschaften. Auch nicht mit Sparprogrammen, und wenn es gelingen sollte, den bis heute nicht funktionierenden Club zum laufen zu bringen.

Soviel ich weiss, hat die SBB dem Kosmos zum Ausbau der teuren Infrastruktur ein Darlehen von 8 Millionen gewährt. Jährliche Tilgungsrate 5 %, den Zinssatz kenne ich nicht. Mit 3% gerechnet macht dies 640'000 pro Jahr, inklusive Mietzins sind wir dann bei ungefähr 1 Million pro Jahr, die das Kosmos der SBB zahlt. Das wären ungefähr 2/3 des Betriebsverlustes.

Okay, diese Zahlen stammen nicht aus der Kosmos-Buchhaltung, bloss von gutunterrichteten Quellen am Stammtisch. Trotzdem scheint mir klar, dass die SBB die alleinige finanzielle Profiteurin des Kulturwarenhauses Kosmos ist. Das darf nicht sein.

Wenn die SBB ihr 8-Millionendarlehen in zinsloses Stiftungskapital wandeln, werden die Finanzprobleme des Kosmos lösbar.

SBB-Chef Andreas Meyer wäre gut beraten diese Finanzoperation rasch in die Wege zu leiten. Und damit seinen Beitrag zur finanziellen Sanierung der Kosmos AG zu leisten. Das staatlich nicht subventionierte Kosmos Kulturprogramm, das auch den nichtkommerziellen Bereich pflegt, hat sich in den vergangenen zwei Jahren zum schönen Stimme im Konzert der staatlich geförderten Subventionskultur entwickelt.

Einer Stimme die, wie wir heute wissen, vom Kosmos Buch/Kino/Gastro unmöglich querfinanziert werden kann

Sonntag, 30. Juni 2019

Börsenäquivalenz EU-Schweiz, who cares? Die EU-Kommission hat sich ins eigene Knie geschossen. Die Börsenzukunft heisst Distributed Ledger Technik!

Heute (30.6.19) hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die Gründung eines Innovation Hubs bekannt gegeben. Der neue Hub soll die Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken im Bereich innovativer Finanztechnologien fördern.

In einem ersten Schritt werden Hub-Zentren in der Schweiz, Hong Kong und Singapur
eröffnet. Der Aufbau und die laufenden Arbeiten dieser Zentren erfolgt in enger
Zusammenarbeit und mit der Unterstützung der Schweizerischen Nationalbank (SNB), der Hong Kong Monetary Authority (HKMA) und der Monetary Authority of Singapore (MAS).

Der Hub dient als Zentrum für ein Netzwerk von Innovations-Experten aus den Zentralbanken der BIZ-Mitgliedsländer. Ziele sind vertiefte Erkenntnisse über zentralbankenrelevante technologische Entwicklungen, sowie die Entwicklung öffentlicher Güter im Technologiebereich.

Die SNB begrüsst und unterstützt den Aufbau des BIZ Innovation Hubs und strebt dort eine aktive Rolle an.

Der Wertschriftenhandel in der Schweiz ist ein wichtiger nationalbankrelevanter Bereich, welcher durch die laufende technologische Entwicklung grundlegend umgestaltet wird. Die Börse im engeren Sinn als reine Handelsplattform verstanden ist dabei nur ein Teil des ganzen Handelssystems.

Nach jedem Börsenkauf oder Verkauf folgt hintendran zwischen Käufer und Verkäufer eine komplexe Kette von Abrechnungen und Überträgen von Wertschriften und Geld, die über unterschiedliche Akteure wie Makler, Banken, Abwicklungsdienstleister und Depotstellen verläuft.

In der Schweiz werden Börsentransaktione über das Wertschriftenabwicklungssystem (SECOM) und das Zahlungssystem Swiss Interbank Clearing (SIC) abgewickelt. Wenn die SECOM-SIC-Verarbeitung besser als jene der entsprechenden EU-Systeme ist, werden die Anleger die Schweizer Börse auch ohne EU-Börsenäquivalenz benutzen.

Im Bereich Digitalisierung des Wertschriftenhandels wird intensiv geforscht und man darf davon ausgehen, dass auch der neue BIZ Innovation Hub sich intensiv mit dieser Problematik befassen wird.

Im Zentrum steht dabei die Distributed-Ledger-Technik, deutsch Verteiltes-Kontenbuch-Technik, also die Programmierung einer dezentralen Datenbank, die Teilnehmern eines Netzwerkes eine gemeinsame Schreib- und Leseberechtigung erlaubt. (Die Blockchain ist eine spezielle Anwendung dieser Technik)

Dank diesem verteilten Kontobuch können die vielen am Wertschriftenhandel beteiligten Akteure  - Käufer und Verkäufer, Börsenmakler, Banken, Abwicklungsdienstleister und Depotstellen - gesichterte Informationen gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden, was im Vergleich zur heutigen SECOM/SIC-Abwicklung wesentlich effizienter und damit auch kostengünstiger ist.

Dienstag, 25. Juni 2019

Knall beim Kosmos -Jetzt redet Steff Fischer

Beim erfolgreichen Zürcher Kulturzentrum Kosmos hats geknallt. Der gesamte Verwaltungsrat der Kosmos AG, mit Ausnahme des Präsidenten Bruno Deckert wurde am letzten Donnerstag ausgewechselt. Warum? Inoffiziell war zu vernehmen, trotzdem laufe alles weiter wie bisher.

Die zwei Gründerkosmonauten Samir Riadh Jamal Aldin und Bruno Deckert haben bislang geschwiegen,

Die Mutter des Kosmos hingegen, Steff Fischer, hat sich heute Morgen auf Facebook zu Wort gemeldet:

"Totale Überforderung", "Scherbenhaufen", schreibt Steff. Und weiter:  "Ich bezweifle, dass sich der gewählte Verwaltungsrat halten kann. Wir Jungs haben es verkackt. Ich glaube jetzt müssten Frauen ran. Aber ob die wollen?"

Ich meinerseits verstehe die Entwicklung des Kosmos als Resultat des Kräftespiels folgender 4 Vektoren:

1. Dem Höchstrendite-Streben der SBB-Immobilien auch an der Europaallee.

2. Steff Fischers Talent als Entwickler der Europaallee-Erdgeschossnutzung Auftrags SBB.

3. Bruno Deckerts Vision vom Kulturwarenhaus das Geld und Geist versöhnt.

4. Samir Riadh Jamal Aldins Ehrgeiz eigene Kinos zu besitzen.

Wie er schreibt, machte Steff vor fast 10 Jahren seine beiden damaligen Freunde Bruno und Samir miteinander bekannt, empfahl den beiden die Verschmelzung ihrer jeweiligen Pläne am Standort Europaallee, überzeugte die SBB vom Konzept und spielte schliesslich Geburtshelfer des Mietvertrages.

Heute, zwei Jahre nach Eröffnung ist das Kräfteparallelogramm SBB-Steff-Bruno-Samir explodiert. (Mit vorgängigen Bruch sowohl der Geschäftspartnerschaft als auch der persönlichen Freundschaft zwischen Steff und Bruno im vergangenen Februar.)

Ursache des Kosmos-Knalls dürften ökonomische Gründe sein.

Finanziell ist das Kulturwarenhaus Buch+Film+Gastro auf Sand gebaut. Die Erträge von Kinos und Buchhandel sinken schon lange und können Kulturveranstaltungen, Kosmopolitics etc. unmöglich subventionieren. Das gleiche gilt für das steinharte Gastrogeschäft, wo das Kosmos froh sein kann, wenn Ende Jahr eine schwarze Null rauskommt.

Anfang Jahr musste die Kosmos AG ihr Aktienkapital um 3 Mio auf 8 Mio erhöhen. Mich würde es nicht erstaunen wenn dieses Geld bereits wieder verbrannt ist. Und eine Überschuldung der AG ohne Neugeld absehbar wird. Das würde die auch für Insider überraschende Explosion des Kosmos erklären.

Neue Besen kehren gut, sagt der Volksmund. Nachdem der neue Kulturverein Kosmos zur Totgeburt wird, den Samir und Bruno zur Finanzierung der Kultur kürzlich gründeten, muss jetzt der neue Verwaltungsrat das Kulturloch stopfen.

Der neue starke Mann der Kosmos AG heisst  Edwin van der Geest, Strategie- und Kommunikationsberater sowie Finanzchef der Dynamics Group.

Okay, dieser Name und die Firma sagten mir bis dato nichts. Dank Google kenne ich jetzt einen Senior Partner der Dynamics Group, nämlich Andreas Durisch.

Mich laust der Affe: der Mann hat mich vor langer, langer Zeit, ich glaub es war 1983, an einer Pressekonferenz der damaligen Bank SBG ohne Anlass unfreundlich angemacht. Ich war als Vertreter des Alternativradios Lora dort und Durisch fragte mich: "Wärum händs dich überhaupt da inelaa". Er vertrat die Züri-Woche, wo der einstige Primarlehrer aus dem Aargau unter den Fittichen von Chefredaktor Kari Lüönd seine ersten Schritte im Journalismus absolvierte.

Das gleiche Blatt hatte 1980 Samirs Schwester mit Namen und Adresse enttarnt, welche die Bewegung als Frau Müller in der legendären 80er-Fernsehsendung brilliant vertreten hatte. Darauf wurde sie massiv bedroht und musste eine zeitlang aus Zürich verschwinden.

Muss ich jetzt davon ausgehen, dass der gecrashte Kosmos-Europaallee-Linksliberalismus zum dynamisierten Google-Leonteq-UBS-Europaallee-Neoliberalismus mutiert?

Sonntag, 9. Juni 2019

Warum spricht das Oberwallis Deutsch?

Tischgespräch Helvetiaplatz, 28. Mai 2019

Link:
https://www.yourstage.live/videos/why-does-the-oberwallis-speak-german-1

TRANSKRIPT REDIGIERT

Guten Abend zum Tischgespräch Kanzlei.

Heute sprechen wir über ein ganz besonderes Thema, nämlich die Frage, warum spricht das Oberwallis Deutsch? Eine wichtige Thematik würde ich sagen, bekanntlich ist die Schweiz ein viersprachigen Land und da stellt sich die Frage, wie diese Sprachgrenzen entstanden sind.

Der Kanton Wallis zieht sich über 200 Kilometer von St. Gingolph am Genfersee bis zum Furkapass. Ungefähr in der Mitte, beim Bach Raspille zwischen den Dörfern Miège und Salgesch, wechselt die Sprache der Walliserinnen und Walliser von Französisch zu Deutsch.

Warum gerade hier? Sprachgrenzen sind meistens Landesgrenzen und ihre Lage hat oftmals mit einstigen Kriegen zu tun, wie beispielsweise im Elsass. Auch die Sprachgrenze beim Bach Raspille hat einen kriegerischen Hintergrund. Im 12./13. Jahrhundert wurde sie bei Auseinandersetzungen der Oberwalliser mit dem französischsprachigen Bischof von Sitten etwa zehn Kilometer näher nach Sitten verschoben.

Doch diese kleine Verschiebung vermag die Sprachgrenze Deutsch/Französisch als solche nicht zu erklären. Warum gab es überhaupt deutschprachige Leute im Oberwallis? Das Unterwallis wurde seit grauer Vorzeit vom Genfersee her besiedelt, von keltischen, gallo/römischen und später burgundischen Bevölkerungsgruppen. Warum das Siedlungsgebiet dieser Unterwalliser ohne ersichtliche Hindernisse mitten im Tal abbricht ist erklärungsbedürftig. Umso mehr, als der Bischof von Sion, das französischsprechende politische und religiöse Machtzentrum im Wallis, nur etwa 20 Kilometer von der Sprachgrenze residierte.

Jetzt könnte man sagen okay, das können unsere Historikerinnen und Historiker erklären, die die alten Chroniken und Urkunden kennen. Auch über die Geschichte des Wallis gibt es viele Bücher. Leider Fehlanzeige, es gibt keine allgemein anerkannte Erzählung, warum, wann und wie das Wallis zweisprachig wurde.

In der nächsten halben Stunde möchte ich nun meine neue These erläutern, wie es zu dieser Sprachgrenze gekommen ist.

Die These basiert auf einem Paradigmenwechsel der historischen Betrachtung. Die gängige Walliser Frühgeschichte ist Territorialgeschichte. Ein Geschichtsbild, das die Geschichte des Tales auf die dynamischen Zentren des Unterwallis zentriert, dem Kloster St. Maurice mit dem Verkehr über den Grossen Sankt Bernhard, und der Stadt Sitten mit dem Bischof - Also die Wurzeln der heutigen Französischen Sprache im Unterwallis.

Um die Wurzeln der Deutschen Sprache im Oberwallis zu verstehen muss die Perspektive der Territorialgeschichte verlassen, und durch eine Alpentransit-Perspektive ersetzt werden.

Man muss, mit anderen Worten, das Oberwallis als Teil einer Nord-Süd-Transitstrecke verstehen. Mit einer solchen Perspektive werden die Pässe ins Berner Oberland und jene nach Italien zum zusammenhängenden Passsystem. Das Oberwallis wird Durchgangstal der Direktverbindung vom Thuner- und Vierwaldstättersee zum Lago Maggiore; ein Ast über die Pässe Brünig-Grimsel-Gries und der andere über Gemmi oder Lötschen-Simplon oder Antrona oder Monte Moro. (Soviel zur Geografie, alles zu sehen auf Google Maps oder einer anderen Online-Karte.)

So betrachtet, bestimmten im Oberwallis des Frühmittelalters, als die Alamannen aus dem Thunerseeraum ins Oberwallis einwanderten, nicht die damaligen unterwalliser Herrscher das Geschehen im Oberwallis, Burgunderkönig, Abt von St. Maurice und Bischof von Sitten, sondern die Benutzer und Operateure der Alpentransitstrecke vom Thuner- und Vierwaldstättersee zum Lago Maggiore.

Doch wer waren die Benutzer und Operateure dieser frühmittelalterlichen Diretissima vom Thuner- und Vierwaldstättersee zum Lago Magiore? Zuerst zu den Operateuren. Die gängige Mittelaltergeschichte geht von einer langsamen Kolonisierung des Oberwallis durch alamannischstämmige bäuerliche Kolonisten vom Thunerseegebiet her aus, die zeitlich nur vage auf das 8. und 9. Jahrhundert datiert, und ohne Zusammenhang mit dem Alpentransitverkehr beschrieben wird. Schriftquellen dazu existieren keine.

Zum Auftreten der ersten Alamannen im Thunerseegebiet hingegen, gibt es einen Eintrag in der sogenannten Fredegarchronik, welche die Epoche der fränkischen Merowingerkönige dokumentiert. Diese Frankenkönige herrschten damals sowohl über die Alamannen im Hochrhein/Bodenseegebiet als auch über die Burgunder im Genferseegebiet. Für das Jahr 610 berichtet Fredegar von einer Schlacht zwischen Alamannen und Burgundern bei Wangas, die von den Alamannen gewonnen wurde. Mittelalterhistoriker siedeln dieses Wangas, irgendwo zwischen dem heutigen Aarwangen, Wangen an der Aare, Wangen bei Olten oder Wangen bei Bern an.

Die gängige Mittelaltergeschichte geht davon aus, dass alamannische Sippschaften im Laufe des 7. und 8. Jahrhunderts vom heutigen süddeutschen Raum langsam Richtung Nordfuss der Alpen einsickerten, und sich mit der dortigen ansässigen gallo-römischen und burgundischen Bevölkerung vermischt haben.

Soweit so gut, doch weshalb sollen Alamannen auch die unwirtlichen inneralpinen Hochtäler besiedelt haben, die zu den Pässen führen, wo die Winter hart und die Produktivität der Berglandwirtschaft gering war? Und es überdies im noch dünnbesiedelten Voralpengebiet noch genügend Wald zum Roden gab. Aufgrund der geringen Produktivität der frühmittelalterlichen Landwirtschaft gaben diese Hochtäler durch bäuerliche Bewirtschaftung nicht genug Nahrung für eine ganzjährige Niederlassung durch die langen Winter her.

Aus der Alpentransit-Perspektive ist die Antwort einfach. Die Alamannen waren nicht Bergbauern, sondern Wegmacher und Säumer im Transitverkehr. Damit verdienten sie genug, um ihre Defizite an Nahrung, Kleidung, Futter für Saumtiere, etc. aus dem Unterland zu beziehen und die langen Winter überleben zu können.

Wegmachen und Säumern war die ökonomische Basis der Besiedelung der Strecke über die Berner Oberländer und Oberwalliser Pässe bis zum Lago Maggiore durch Alamannen vom Alpennordfuss. Was deren Sprache betrifft gilt es zu unterstreichen, dass es das heutige Deutsch damals noch lange nicht gab, ja noch nicht einmal das Althochdeutsche. Doch diese ersten Alamannen im Oberwallis und im Eschental blieben ihren Herkunftsgebieten kulturell und zivilisatorisch noch während Jahrhunderten verbunden und machten auch die Entwicklungen mit, die zur Entstehung der Deutschen Sprache führteb. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts sprachen ganze Dörfer im unteren Eschentales (Italienisch Val Toce) bis zum Lago Maggiore noch Deutsch. Und die deutschsprachigen Dörfer auf der Südseite des Simplon, sowie das Walserdeutsch im obersten Eschental (Pomatt) zeugen noch heute von der einstigen Verbreitung des Deutschen in der Lombardei.

Im Eschental wurde das (alt- und mittel) Hochdeutsche nach Jahrhunderten vom Italienischen, bzw. seinen Vorformen wieder verdrängt, während das Oberwallis die Entwicklung zur Deutschen Sprache mitmachte und deutschsprachig blieb.

Soweit so gut. Die Betreiber der Alpentransitstrecke waren Leute aus dem Norden. Doch wer waren die Benutzer? Um gleich mal vorzugreifen, die Benutzer waren die früh- und hochmittelalterlichen, europäischen Grossreiche der Karolinger, Ottonen, Salier und Staufer, die während Jahrhunderten Burgund, Norditalien und das Ostfrankenreich vereinigten. Für die Existenz dieser alpenüberspannenden Reiche hatte der schnelle Alpentransit geostrategische und machtpolitische Bedeutung.

Eingesetzt hat diese historische Entwicklung mit der Eroberung der Langobardenhauptstadt Pavia durch den Frankenkönig Pippin im Jahre 750. Verbündet mit dem Papst war Pippin damals mit einem grossen Heer über die Alpen gezogen und hatte das norditalienische Reich der Langobarden besiegt. Das Langobardenzentrum Pavia war damals wohl die wichtigste Stadt ganz Oberitaliens. Im Unterschied zu Mailand und anderen grossen Römerstadten hatten die siegreichen Goten Pavia nach dem Untergang Westroms nicht zerstört. Die römische Stadtkultur, die Lateinische Sprache, viel technisches und kulturelles Wissen blieben erhalten. Die Kontrolle von Pavia war für die Frankenkönige von allergrösster Bedeutung war. Pippin musste Pavia behalten wenn er seine Macht im neueroberten Langobardenreich und damit in seinem neuen alpenüberspannenden Imperium konsolidieren wollte.

Deshalb hatte eine sichere und rasche alpenquerende Verbindung seiner neuen südlichen Hauptstadt Pavia mit den nördlichen Kerngebieten seines Frankenreiches grosse geostrategische und machtpolitische Bedeutung. Die nördlichen Kerngebiete des Frankenreiches lagen beim heutigen Paris, sowie an Niederhein, Maas und Mosel, bei Köln, Trier und Aachen.

Die schnellste und sicherste Alpenquerung dieser zwei Regionen führte von Pavia ticinoaufwärts über den Lago Maggiore, den Thuner- und Vierwaldstätterse nach Basel und weiter nach Paris oder Aachen.

Die Alternativen waren weniger attraktiv. Am Weg zum Grossen St. Bernhard und zum Mont Cénis im Westen gab es mächtige Lokalfürsten die dem König den Weg sperren oder finanziell verteuern konnten. Dito am Weg zu den Bündner Pässen im Westen. Während die Strecke von Pavia zum Lago Maggiore direkt von Pavia aus kontrolliert und verwaltet wurde. Kommt noch dazu, dass beide anderen Strecken im Westen und im Osten distanzmässig um einiges länger sind. (Am Gotthard war die Schöllenen noch ein unüberwindbares Hindernis.)  Dazu kommt noch der positive Faktor, dass Pavia am Zusammenfluss von Ticino und Po liegt. Wenn man von Nord nach Süd reist, kommt man vom Lago Maggiore per Schiff nach Pavia. Reist man von Süd nach Nord über Lago Magiore, Gries-Grimsel-Brünig ist man am Vierwaldstättersee und fährt mit dem Schiff bis Basel und weiter an den Niederrhein.

Die Alamannen im oberen Aareraum waren die idealen Betreiber der neuen Verkehrsverbindung, die König Pippin dringend brauchte. Wenige Jahre bevor Pippin Pavia erobert hatte, hatte sein Bruder Karlman den aufmüpfigen Alamannenherzog beim heutigen Stuttgart besiegt. Das Herzogtum war auseinandergefallen und viele alamannische Sippschaften hatten sich ins heute schweizerische Alpenvorland zurückgezogen. Diese konnten als Wegmacher und Säumer eine neue wirtschaftliche Existenz finden.

Schriftquellen für den Aufbau einer Verbindung einer solchen fränkischen Alpentransitstrecke während der Regierungszeit König Pippins gibt es nicht. Was allerdings nicht heissen will, dass es eine solche nicht gab. Die Organisation des Verkehrs war im Frankenreich in der Regel an Regionalfürsten ohne eigene Kanzlei delegiert, sagen Historiker. Damit haben sich die Könige und ihre Kanzleien gar nicht befasst.

Hingegen gibt es archäologische Befunde für die Existenz einer solche Strecke. Am Wittnauer Horn, einem Juraübergang in der Gegen von Aarau an der Strecke vom Thunersee nach Basel wurde ein merowingischer Münzschatz gefunden. Im Oberaargau fand man langobardische Grabbeigaben.

Wenn meine Alpentransit-These in der Walliser Frühmittelaltergeschichte hinhaut darf man davon ausgehen, dass die alamannische Besiedelung der Hochtäler zwischen Thuner- und Vierwaldstättersee und Lago Maggiore innert weniger Jahrzehnte nach 750 erfolgte, und dass die Alamannen aus dem Oberen Aareraum dabei auch das Oberwallis estmals ganzjährig besiedelten, wo ihre Nachfahren heute noch leben.

Darum spricht das Oberwallis Deutsch.

Montag, 13. Mai 2019

Modern Monetary Theory - Funktioniert der Staatskapitalismus auch in den USA?

Modern Monetary Theory (MMT) heisst die Geldpolitik der US-amerikanischen Linken, mit der Bernie Sanders nächstes Jahr die Präsidentschaftswahlen gewinnen will.

In einem Satz zusammengefasst soll nicht mehr die Zentralbank (Federal Reserve System) für die Geldwertstabilität und den Konjunkturverlauf der US-amerikanischen Volkswirtschaft zuständig sein, sondern das Finanzministerium (U.S. Department of the Treasury).

Staatskapitalismus à l'américaine.

Nachdem der anglo-amerikanische Finanzkapitalismus neoliberaler Prägung seine wachsenden volkswirtschaftlichen Probleme seit der Finanzkrise 2007/2008 mittels ultra-expansiver Geldpolitik vor sich herschiebt, kommt jetzt die sozialdemokratische US-Linke mit dem Vorschlag der Radikalreform der Geldpolitik.

Ob sich die zukünftige Präsidentschaftskandidtat/in der Demokraten im Wahlkampf auf die MMT verpflichtet ist noch offen, aber möglich. MMT wäre die ideale geldpolitische Ergänzung der New Green Deal genannten Wirtschaftspolitik von Präsidentschaftskandidat Sanders, oder auch des linksgrünen Shootingstars Alexandra Ocasio-Cortez aus New York.

MMT - siehe Prof. Stephanie Kelton - ist meines Erachtens weniger eine stringende Geldtheorie, als eine institutionellen Reform der staatlichen geldpolitischen Interventionsmechanismen in die US-amerikanische Volkswirtschaft.

MMT postuliert die Staatsausgaben als wichtigstes Instrument der Wirtschaftssteuerung. Das nötige Geld druckt nicht die Zentralbank, sondern kraft gesetzlicher Befugnis das Finanzministerium selber. Steuereinnahmen finanzieren nur noch den kleineren Teil des Staatsbudgets. 

Dazu muss das Mandat des Federal Reserve Systems - Geldwertstabilität sichern und gleichzeitig Arbeitslosigkeit verhindern - zum U.S. Department of the Treasury transferiert werden.

Kann das ökonomisch funktionieren, ist der nötige institutionelle  Umbau politisch möglich und was würde eine solche staatskapitalistische USA-Geldpolitik für den Rest der Welt bedeuten?

Dazu ein Gespräch mit Markus Diem Meier, Chefökonom Redaktionen Tamedia, am Di. 14. Mai 2019. 18 Uhr auf http://www.tischgespraech.ch/modern-monetary-theory/

Mittwoch, 10. April 2019

Es gibt kein richtiges Leben im falschen — Oder doch?

PASSION zwischen REVOLTE und RESIGNATION, so heisst der neue Film von Christian Labhart, der am Freitag 12.4.19 um 12:15 im Kino Arthouse Le Paris, Zürich Première hat und ab 18. April in die Kinos kommt.
Christian Labhart
Mit monumentalen Bildern, autobiografischen und literarischen Texten, sowie der Musik aus J.S. Bachs Matthäus-Passion verschränkt der 68er Labhart in seinem Film das eigene privilegierte Leben im Schweizer Mittelstand mit dem Schrecken des heutigen, globalisierten Kapitalismus.  Trailer

Wo sind die Träume meiner Jugend für eine bessere Welt geblieben, fragt sich Regisseur Labhart. Gibt es sie noch, lohnt es sich noch immer dafür zu kämpfen?

Oder haben die Zwänge des Lebens im seither verflossenen halben Jahrhundert den Kampf für die bessere Welt zur Grenzmarke einer vergangenen Zeit betoniert?

Seine Antwort auf diese grosse Frage gibt Labhart in einer von der WOZ-Redaktorin Caroline Baur moderierten Debatte mit dem Klimaaktivisten Jonas Kampus und Juso-Chefin Tamara Funiciello. (Freitag 12.4.19. 20 Uhr, Volkshaus Zürich)

Mich hat Labhart als zweiten 68er-Veteranen ebenfalls zu dieser Debatte zwischen Jung und Alt eingeladen. Habe gerne zugesagt — obwohl die Frage nach dem richtigen Leben im falschen heute nicht einfacher zu beantworten ist als vor 50 Jahren.

Montag, 1. April 2019

Das digitale Zahlungs-Ökosystem der Frankenwährung - Die Basis für den E-Franken auf Blockchain

Und sie bewegt sich doch.

Zwar steht die Geldpolitik der Nationalbank (SNB) bei vielen Ökonominnen und Ökonomen zunehmend in der Kritik. Auch bei mir  -  falls das jemanden interessieren sollte. Neuerdings gesellte sich sogar Altmeister Ernst Baltensberger, wenn auch noch etwas verschämt, zu den Kritikern (TA 1.4.19). In einem Satz zusammengefasst läuft diese Ökonomen-Kritik darauf hinaus, dass die aktuelle SNB-Geldpolitik eine Vogel-Strauss-Politik ist, welche die Grossrisiken kommender Finanzkrisen verniedlicht und deshalb nicht mehr in der Lage wäre, eine Krise wie 2007/2008 wirksam abzufedern

Trotzdem hat sich die SNB letzte Woche ein dickes Lob verdient. Nämlich für die Ausführungen von Direktoriumsmitglied Andréa M. Maechler, und Thomas Moser, Stellvertretendes Mitglied des Direktoriums zum Thema Die Entwicklung des Zahlungsverkehrs im digitalen Zeitalter – eine Zentralbank-Perspektive

Dieses Paper skizziert auf Basis der Entwicklungsgeschichte des Franken-Zahlungsverkehrs seit Gründung der Nationalbank einen vielversprechenden Pfad zu einem neuen, digitalen Zahlungs-Ökosystem für die Frankenwährung.

Konkret sollen auch FINMA-lizenzierte Fintech-Unternehmen, gleich wie die Banken und Versicherungen, Zugang zum bestehenden Interbanken-Zahlungssystem (SIC) und zu den SNB-Girokonten bekommen.

Damit können auch kleine Beträge (Retailzahlungen) aus Bezahllösungen neuer (Nichtbanken)Anbieter ohne Umweg über ein Bankkonto bei der SNB in Zentralbankengeld abgewickelt werden. Beispielsweise Zahlung an an Apple, Alibaba, WeChat, Amazon, Yandex, Mail.ru oder andere Online-Händler.

Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist häufig Ziel von Cyber-Attacken. Gegen dieses und andere Missbrauchsrisiken wie Geldwäscherei oder Steuerhinterziehung könnte die SNB in Zusammenarbeit mit der ETH eine neue Internet-Infrastruktur für die Datenkommunikation auf dem neuen SIC entwickeln, welche eine sichere Kommunikation auf dem digitalen Zahlungs-Ökosystem der Frankenwährung ermöglicht.

Überdies öffnet das von Maechler/Moser skizzierte neue SIC auch eine Programmierschnittstelle für eine Nationalbank-Blockchain als Basis für einen elektronischen Franken auf der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie. Mit anderen Worten die Möglichkeit, dass die SNB einen digitalen «Token» anbieten kann, der den gleichen Wert wie eine analoge Frankenmünze repräsentiert. Und in der SNB-Jahresrechnung gleich wie die Münzen und Banknoten bilanziert ist.