Donnerstag, 3. Dezember 2020

Projekt Helvetia — Ein digitaler Franken für die Banken als Grundlage der digitalisierten Schweizer Börse

Heute informierten die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Nationalbank (SNB) und der Finanzmarktinfrastrukturbetreiber SIX über das Projekt Helvetia.

Link: https://bis.org/publ/othp35.htm

Das Projekt Helvetia demonstriert die Machbarkeit der Integration von Tokenised Assets und digitalem Zentralbankgeld (CBCD) unter realen Schweizer Echtzeit-Bedingungen.

Damit simuliert Helvetia rechtlich robust die Abwicklung von tokenisierten Vermögenswerten mit einem Wholesale-CBDC (PoC1) und der Anbindung einer DLT-Plattform (Blockchain-Plattform) an bestehende Zahlungssysteme (PoC2).

Dieses Experiment ist ein weiterer Schritt zur Digitalisierung der Schweizer Börse auf einer gemeinsamen SNB-SIX-Infrastrukturplattform und ein Schub zur weiteren Internationalisierung des Frankens obendrein.

Die komplexe Abwicklung des Börsengeschäftes, sprich Tausch eines real existierenden Wertpapieres gegen Kreditgeld auf einem Bankkonto, wird entscheidend vereinfacht, indem ein digitales Abbild eines Wertpapiers gehandelt, und der Handel in einem dezentral gespeicherten Verzeichnis registriert wird.

Damit das funktioniert, stellt die Nationalbank digitale Franken bereit. Allerdings nicht für Einzelpersonen, sondern nur für Banken und Finanzgesellschaften.

So bekommt das viele Zentralbankengeld, das die SNB-Geldpolitik seit der Finanzkrise 2008 produzierte, und das seither realwirtschaftlich funktionslos auf den geblähten Girokonten der Banken bei der Nationalbank liegt eine reale Funktion.

Das Zentralbankengeld der Banken und Finanzgesellschaften bei der SNB wird zum Schmiermittel des neuen, digitalen Schweizer Börsenhandels.

Vermögensverwaltung war gestern. Das Offshore-Verwaltungszentrum für die Reichen und die Superreichen ist ein Auslaufmodell.

Die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz liegt in der gemeinsamen Handels-Infrastruktur von SNB, SIX und Bankensystem für digitale Wertpapiere. Der digitalen Schweizer Weltbörse.

Es sei den die Klimaerwärmung, Pandemien, die USA, EU, China oder andere geopolitische Entwicklungen machen der schönen neuen Welt der Schweizer Digitalbörse noch einen Strich durch die Rechnung.

Freitag, 13. November 2020

Private Ameisenbank oder Staatsbank — Grundsatzfrage der chinesischen Finanzdigitalisierung

In Sachen Finanzdigitalisierung ist China Weltspitze.

Der weltgrösste Konzern für digitale Finanzgeschäfte, die Ant Group aus Hangzhou, exemplifiziert Chinas Vorsprung sowohl auf die USA, als auch auf die EU und Japan.

Ant Group bündelt Zahlungsverkehrs-, Kredit- und Anlagegeschäfte für die Massenkundschaft auf einer App und hält damit, was US, EU und Japan Banken bloss versprechen.

Zu den Ant-Group-Töchtern gehört Alipay, die weltweit grösste Zahlungsplattform. Sie verbindet den Online-Händler Alibaba und 80 Millionen kleinere Shops mit über einer Milliarde Nutzern. 2019 verzeichnete Alipay einen Umsatz von rund 118 Billionen Yuan (ca. 16 Bio. CHF), das sind 25 mal mehr als die grösste US-Zahlungsplattform PayPal.

Zum Ant-Universum gehört auch Yu’e Bao, der mit 588 Millionen Anlegern weltweit grösste Geldmarkt-Fonds. Huabei, die grösste chinesische Online-Konsumkreditplattform. Und Jiebei, die chinesische Nummer 1 für Online-Kredite für kleine und mittlere Unternehmen. 

Huabei und Jiebei sind die Hauptwachstumsträger der Ant Group. Zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit setzen Huabei und Jiebei voll auf Maschinenintelligenz plus Big Data von Alipay, Yu'e Bao und zahlreicher anderer Ant-Group-Gesellschaften.

Ende Juni beliefen sich die vergebenen Huabei/Jiebei-Kredite auf 1,73 Billionen Yuan (239 Mia. Fr.). Davon 98% fremdfinanziert, entweder durch Drittbanken, oder durch den Weiterverkauf der von der Ant-Group-Investmentbank zu handelbaren Wertpapieren gebündelten einzelnen Darlehensverträge.

IPO gecrasht

Vergangene Woche ist die 2014 gegründete, bislang stets erfolgsverwöhnte Ant Group erstmals gröber gestrauchelt.

48 Stunden vor dem ersten Handelstag am 4. November hat die chinesische Börsenaufsicht den zuvor bewilligten Börsengang (IPO) in Schanghai und Hongkong abrupt gestoppt.

Dadurch entgingen der Ant Group umgerechnet etwa 31 Milliarden Franken aus dem Erlös der um ein vielhundertfaches überzeichneten Aktienemission. 

Noch viel gravierendere Einbussen drohen der Ant Group durch die zahlreichen koordinierten, schärferen Regulierungen der letzten zehn Tage von Staatsrat (Regierung), Volksbank (Zentralbank) und Banken- und Versicherungsaufsicht (CBIRC).

Die neue Regeln engen das Geschäftsfeld der Internet-Händler ein, verlangen mehr Wettbewerb zwischen den Oligopolen wie Alibaba-Ant oder Tencent-JDcom, und zerschlagen damit diese die im Klima der bislang liberalen chinesischen Finanzmarkt-Regulierung entstandenen privaten Handels-Zahlungsverkehrs-Anlageberatungs-Kredit-Ökonsysteme.

So gibt es beispielsweise für den grössten Ant-Wachstumstreiber, das chinaweite Online-Mikrokreditbusiness, verschärfte Kapitalunterlegungsvorschriften der Chinesischen Volksbank (Zentralbank) die noch praktisch keine Akteure erfüllen. Auch muss Ant neu statt 2% neu 30% der vergebenen Kredite in der eigenen Bilanz behalten. Ob Huabei/Jiebei in der Alipay-App integriert bleiben dürfen ist offen. 

Gleichzeitig sollen die wirksamere Vorschriften der Wettbewerbsbehörde des Staatsrates für mehr Wettbewerb unter den Internetplattformen sorgen, und die zunehmend geschlossenen Ökosysteme von Alibaba-Ant und Tencent-JD.com zu öffnen. Damit die Tencent/WeChatpay-Zahlungapp auch im Alibaba-Onlinestore Taobao funktioniert, was bislang nicht der Fall ist ist.

Die Kommunistische Partei greift ein

Alles in allem lassen die systemrelevanten Veränderungen der vergangenen zehn Tage auf den chinesischen Finanzmärkten nur einen Schluss zu: Die Kommunistische Partei hat eingegriffen und die politökonomischen Rahmenbedingungen der Finanzdigitalisierung neu definiert. 

Bereits hat das Wall Street Journal spekuliert,  hier habe KP-Chef und Staatspräsident Xi Jinping himself eingegriffen — Mag sein.

Operativ zuständig in der Kommandokette ist das Komitee für Finanzstabilität und Entwicklung des Staatsrates. Die 2017 auf Xi Jinpings Anregung entstandene Superbehörde zur Überwachung der Geld- und Finanzpolitik hat weitreichende Weisungsbefugnisse im Finanzwesen und darf Provinz- und Lokalregierungen Vorschriften für den Finanzhaushalt machen. Geleitet wird das Komitee von Vize-Premier des Staatsrates und Politbüromitglied der KP Chinas Liu He, ein langjähriger Vertrauter und Wirtschaftsberater Xi Jinpings und an der US-amerikanischen Harvard-Universität ausgebildeter Ökonom.

Für alle die es gerne genau wissen wollen, hier das relevante Dokument der Sondersitzung des Komitees für Finanzstabilität und Entwicklung des Staatsrates vom 31. Oktober 2020, einer "Sondersitzung um den Geist der Fünften Plenarsitzung des 19. Zentralkomitees der Partei zu vermitteln,  sowie die Umsetzung im Finanzsystems zu untersuchen und durchzuführen".

Link: Finanzreformbestrebungen im Ramen des nächsten chinesischen 5-Jahresplans 2021-2026 

In einem Satz zusammengefasst soll die Finanzdigitalisierung nicht via die Konsolidierung und weitere Stärkung der neuen realwirtschaftlich-finanzwirtschaftlichen Hybridkonglomerate wie Alibaba-Ant und Tencent-JD.com voranschreiten, sondern über die weitere Digitalisierung des Bankensystems, insbesonere der vier grossen Staatsbanken in Kombination mit der Einführung des E-Renminbi durch die Chinesische Volksbank (Zentralbank). 

Wohl nicht zufällig hat eine der staatlichen Grossbanken, die China Construction Bank Corp. in diesen Tagen die Begebung ihrer ersten voll digitalisierten, börsengelisteten Anleihe für In- und Ausländer auf einer Blockchain verkündet, die gegen E-Renminbi oder Bitcoin gehandelt werden kann.  

Rückwirkend erscheint damit die Rede von Jack Ma (Chinesisch Mǎ Yún) von Anfang November am 2. Bund-Finanzgipfel in Schanghai in einem neuen Licht. Ma ist als Gründer, Grossaktionär und starker Mann des Alibaba-Ant-Konglomerates einer der reichsten Chinesen und Mitglied der KP Chinas obendrein.

In dieser Rede vertritt Ma diametral andere Ansichten als das erwähnte Komitee für Finanzstabilität des Staatsrates. Er stellte das chinesische Bankenmodell, dessen "verbürokratisierte Regulation" und auch die Einbindung der chinesischen Banken in das globale Finanzsystem fundamental in Frage.

Er fürchte nicht die Finanzregulierung an sich, sagte Ma, sondern nur die veraltete Regulierung. Und benutzte dazu folgenden Vergleich: Wir können einen Flughafen nicht auf die gleiche Weise verwalten wie einen Bahnhof. 

Weiter sagte Ma die staatlichen Grossbanken würden in China immer noch wie "Pfandhäuser" geführt, die bei der Kreditvergabe bloss auf ausreichende Sicherheiten achteten.

Dieses System sei im Zeitalter der industriellen Entwicklung konzipiert worden, sagte er weiter. Doch um der riesigen chinesischen Wirtschaft auch in Zukunft effizient Kredit bereitzustellen, brauche es ein neus, umfassendes, nachhaltiges und grünes System. 

Neue, technologiegetriebene Kanäle welche die Entscheidung der Kreditgewährung nicht dem Pfand überliessen, sondern auf  Big Data, Cloud Computing und Blockchain vertrauten. 

Bemerkenswert auch Mas Frontalangriff auf die BIZ in Basel, auch Bank der Zentralbanken genannt, wo die Chinesische Volksbank Mitglied ist.

Ma meinte das als Basel III bekannte internationale Regelwerk zur Stabilisierung der globalen Finanzmärkte sei mit seinem veralteten Glauben an verschärfte Eigenkapitalvorschriften ebenfalls ein Pfandleih-Modell. Dieses von "einem Klub alter Leute" zur Risikontrolle eines gealterten Bankensystems entworfene Basler Modell sei möglicherweise nicht die richtige "Medizin" für das noch in den Kinderschuhen steckenden Finanzsystem Chinas.

Zum Schluss betonte Ma dass Innovation immer mit einem Risiko verbunden sei, doch das grösste Risiko sei, dass man versuche, das Risiko auf Null zu minimieren.

Nach Mas sonntäglicher Rede kam es noch gleichentags mit den ebenfalls in Schanghai anwesenden Spitzen der Finanzmarktüberwachung zu einer Sitzung, wo auch der Präsident und der CEO der Ant Group anwesend waren. Und am Montag hat die KP China klar gemacht, wer im Reich der Mitte das Sagen hat.

Sonntag, 16. August 2020

In der Chinafrage rudert Verleger Pietro Supino im gleichen Boot wie US-Präsident Donald Trump

TX-Group mag ihren Hauptsitz im Zürcher Stadtkreis 4 haben, unweit meines Stammlokals, wo ich mir als alter Aussersihler jeweils eine gute Zigarre zu gönnen pflege. Doch der publizistische Einfluss des italo-schweizerischen Präsidenten, CEO und TX-Group-Mitbesitzers Pietro Supino reicht weit über seine Zürcher und Schweizer Titel hinaus. 

Als Gruppo-Editoriale-Gedi-Verwaltungsrat beeinflusst Supino in Italien u.a. "La Stampa" und "Repubblica". In Deutschland via langjährige Kooperation im Auslandjournalismus "Die Süddeutsche". Und als Erbe einer renommierten schweizerischen Verlagsgruppe wohl auch seine Mitverleger in der ebenfalls familienkapitalistisch strukturierten Südwestdeutschen Medienholding, wo die "Süddeutsche" dazugehört. 

Aus eigener Lektüre bin ich der Ansicht, dass "Tages-Anzeiger", "La Stampa" und "Süddeutsche" ein tendenziöses China-ist-immer-Schuld-Bashing betreiben.

Beim Tages-Anzeiger musste ich mich früher über die vielen anti-chinesischen Essays von Kai Strittmatter ärgern. Wohlverstanden, dass dieser deutsche Sinologe und Journalist etwa gleich anti-chinesisch eingestellt ist wie US-Präsident Trump, sei ihm unbenommen. Als zahlender Abonnent des Tages-Anzeigers erwartete ich keine Chinafreundlichkeit, sondern unvoreingenommene journalistische Beiträge und Reportagen über China und die schweizerisch-chinesischen Beziehungen. Bei Strittmatters Nachfolgerin als TA-Chinakorrespondentin Lea Deuber ist es nicht besser geworden. 

Für diese trumpistische China-Berichterstattung im Tages-Anzeiger nehme ich auch Supino in die Pflicht. Umso mehr als er anderswo nicht zögerte, in die publizistischen Belange seines Unternehmens einzugreifen. So tilgte er ein Porträt eines anderen Schweizer Verlegers nach dessen Reklamation kurzerhand aus dem TA-Archiv. Unvergessen auch sein TA-Magazin-Essay über den Journalismus, den er von seinen Angestellten erwartet.

Nachdem Trump seit Beginn der Coronakrise den Wirtschafts- und Währungskrieg der USA gegen China gefährlich eskalierte, wird die tendenziöse China-Berichterstattung des Tages-Anzeigers erklärungsbedürftig.  

Weshalb rudert die TX-Group-Verlegerschaft in der Chinafrage im gleichen Boot wie US-Präsident Trump?

Donnerstag, 23. Juli 2020

Wird Pietro Supino zum starken Mann eines südwestdeutsch-schweizerisch-italienischen Tageszeitungsverbundes?

Anfang Monat übernahm Pietro Supino die operative Leitung der TX-Group. Grund genug für einige Überlegungen zu möglichen Aspirationen des italo-schweizerischen Verlegers in seiner neuen Funktion.

Eccoli qui.

Im heutigen Tages-Anzeiger (TA) kommentiert der deutsche Journalist Stefan Kornelius, Auslandchef der Süddeutschen Zeitung (SZ), die Schliessung des chinesischen Konsulates in Houston, der neuesten Eskalationsstufe im Kampf des amerikanischen Finanzkapitalismus gegen den chinesischen Staatskapitalismus.

Das macht Sinn, schliesslich hat der TA seine Chinaberichterstattung bereits vor Jahren zur SZ ausgelagert.

Anfänglich hiess es, die beiden Blätter teilten ihr Auslandkorrespondentennetz aus Spargründen. Doch seit die Kompetenz der TA-Redaktion im Auslandjournalismus flöten ging, übernimmt das Blatt zunehmend auch Kommentare von Kornelius.

Kornelius ist ein prominenter Journalist im Bereich der Aussen- und Sicherheitspolitik mit zahlreichen, wichtigen anderen Funktionen in München und Berlin. Beispielsweise bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V., die mit dem Council on Foreign Relations in New York, und der britischen Denkfabrik Chatham House in London zusammenarbeitet.

Den Schweizer Standpunkt in der immer gefährlicheren Eskalation zwischen den USA und China sucht man bei Kornelius verständlicherweise vergeblich. (Ungefähr so vergeblich wie bei der NZZ, wo Eric Gujers Auslandcrew das explosive heutige Welttheater ebenfalls aus einer, wenn auch bloss imaginierten, deutschen, oder vielleicht besser berliner Perspektive abhandelt.)

Die SZ ist das Flaggschiff der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), u. a. Süddeutsche, Schwarzwälder Bote, Stuttgarter Zeitung plus weitere Regionalblätter wie die Lausitzer Rundschau, die Medienunion der Gebrüder Schaub und die Südwestpresse aus Ulm. Kürzlich war zu lesen, dass die SWMH mit einem Anteil von 11,5 Prozent an der Gesamtauflage aller Zeitungen in Deutschland den bisher führenden Springer (11,2 Prozent) überholt hat.

Wenn diese Blätter rein rechtlich auch nicht unter dem gleichen Dach agieren, arbeiten die südwestdeutschen Familienkapitalisten verlagsstrategisch und betriebswirtschaftlich trotzdem eng zusammen. Eine starke Verlegerfigur gibt es in den diversen Familienfirmen nicht, dafür den prominenten Auslandchef, der die grossen aussenpolitischen Linien definiert, die auch für die Blätter der TX-Group gelten.

Das Engagement von TX-Group-Präsident und Verleger Supino in Italien ist bekannt. Zuerst bei Rizzoli, Corriere della Sera, u.a.. Seit Ende April 2020 als Mitglied des Verwaltungsrates des grössten italienischen Zeitungsverlegers, der Rizzoli-Konkrenz Gruppo Editoriale Gedi (La Repubblica, La Stampa und Il Secolo XIX). Dazu noch drei nationale Radiosender und das Digital- und Werbegeschäft.

Dieses Mandat verdankt Supino dem Agnelli-Erben John Elkann, wie er selber ein mehrfacher Teilnehmer der berühmt-berüchtigten Bilderberg Konferenz. Elkann ist Chef von Fiat Chrysler, Ferrari und der Agnelli-Familiengesellschaft Exor, der neben der italienischen Gedi auch 43% der britischen Wochenzeitschrift The Economist gehört.

Vieles von TX-Group, SWMH und Gedi ist ähnlich und scheint zusammenzupassen. Gleiche Branche, bereits bestehende Zusammenarbeit, vergleichbare politische Ausrichtung, grosses Innovationspotential durch Überschreitung von National- und Sprachgrenzen. 

Und einen erfahrenen, ambitionierten Verleger für die Chefposition hätten sie auch schon.

Wer weiss, vielleicht kommt sie wirklich, die hier ventilierte, transnationale Tageszeitungsgruppe von John Elkann und Familie, Pietro Supino und Familie und den Südwestdeutschen Verlegerfamilien. Auslandchef Stefan Kornelius und die politischer Stossrichtung "Transatlantikbrücke ohne Trump" sind schon gesetzt.

Dienstag, 30. Juni 2020

Verabschieden sich die USA auch aus der Zentralbanken-Kooperation bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich?

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), auch Bank der Zentralbanken genannt, gibt Gas mit der Digitalisierung des Weltfinanzsystems.

Der vor knapp einem Jahr eröffnete, vom Franzosen Benoît Cœuré präsidierte BIZ-Innovationsknotenpukt in Basel, mit drei Aussenbüros in Zürich, Singapur und Hong Kong, plant in den nächsten zwei Jahren fünf neue Büros in London, Paris, Frankfurt, Toronto und Stockholm.

Diese bei den jeweiligen Zentralbanken angesiedelten Büros verstehen sich als Expertennetzwerk mit der gemeinsamen Aufgabe, zentralbankenrelevante Trends in der Digitalisierung des Banken- und Finanzwesens, sowie dem globalen Zahlungsverkehr zu studieren.

BIZ-Generaldirektor Agustín Carstens erhofft sich von diesen BIZ-Innohubs wichtige Impulse für die Geldpolitik der Mitgliederbanken und damit zur Stabilisierung der krisenanfälligen Weltfinanz.

In New York ist kein BIZ-Innohub geplant.

Wohl um von der Frage nach der erstaunlichen Abwesenheit der US-Zentralbank bei dieser wichtigen BIZ-Zukunftsinitiative auszuweichen, spricht die heutige BIZ-Pressemitteilung (30.6.20) von einer "strategischen Partnerschaft" mit der Federal Reserve Bank of New York (NYFed).

Allein, die strategische Partnerschaft pflegt die BIZ-Mitgliedsbank  NYFed mit der BIZ bereits seit lamgem.

Wenn sich NYFed heute nicht an den BIZ-Innohubs beteiligt, dürfte das weniger am dortigen Chef John C.Williams liegen, sondern am politiknäheren Board of Governors unter John Powell in Washington D.C.

NYFed ist als grösste der zwölf regionalen Feds an der Wall Street zuständig für die gesamte finanztechnische Umsetzung der vom Board of Governors beschlossenen Geldpolitik, inklusive Kauf und Verkauf von Dollars, der bekanntlich wichtigsten Währung der Welt. 

Bei der NYFed sitzen die Finanztechniker des Dollars, im Board of Governors in Washington sitzen die Finanzpolitiker des Dollars.

Washington für die Politik, New York für die Finanztechnik, das war schon immer so. Als die BIZ  Ende 1929 konzipiert wurde, wollte der isolationistische damalige US-Präsident Warren G. Harding nicht mitmachen. Das passte John P. Morgan, dem damaligen Boss-Banker der Wall Street nicht. Seine Banken hatten in Deutschland riesige Kredite ausstehend und er wollte unbedingt, dass die USA in der neuen internationalen Bank in Basel vertreten war. Gesagt, getan. Morgan überzeugte seinen ehemaligen Angestellten und damaligen Präsidenten der NYFed, Gates W. McGarrah, diesen Job aufzugeben, nach Basel zu ziehen und dort die drei mal besser bezahlte BIZ-Präsidentschaft zu übernehmen. Was dann 1930 auch geschah. (Offiziell ist die NYFed der BIZ erst 1994 beigetreten.)

Make America Great Again. Aus dieser Perspektive ist die währungspolitische Kontrolle des Federal Reserve Systems über die fortschreitende Erosion des Dollars als Welthandels- und Weltreservewährung auch gegen die Interessen anderer Zentralbanken viel wichtiger, als die technische Kooperation des NYFed im Rahmen der BIZ-Innohubs. 

Montag, 4. Mai 2020

Coronakrise: Reden wir mal über das explosive Wachstum der Giroguthaben inländischer Banken bei der Nationalbank

Wie jeden Montagmorgen hat die Nationalbank auch heute Morgen den aktuellen Stand des grössten Passivpostens ihrer Bilanz veröffentlicht, nämlich den Giroguthaben inländischer Banken.

Zahlenmässig beliefen sich diese am 1. Mai 2020 auf 578 Milliarden Franken.

Am 28. Februar 2020 hatte derselbe Bilanzposten erst mit 502 Milliarden Franken zu Buche geschlagen.

Da stellt sich die Frage wie es kommt, dass sich die Nationalbank in den vergangenen zwei Monaten bei den inländischen Banken um 78 zusätzliche Milliarden Franken verschuldet hat?

Die Antwort liegt in der Mechanik der Eurokäufe, welche die Nationalbank zur Abschwächung des verstärkten Aufwertungsdruckes auf den Franken seit Beginn der Coronakrise tätigte.

Diese Euros bezieht die Nationalbank von inländischen Banken auf deren Girokonten sie einen entsprechenden Betrag in Girogeld (Zentralbankengeld) gutschreibt, das sie Kraft ihrer gesetzlichen Befugnis aus dem Nichts schaffen kann.

Die Euros für die Nationalbank kaufen die inländischen Banken bei einer Korrespondenzbank im Euroland, derem Konto sie einen entsprechenden Frankenbetrag gutschreiben.

So sind aus dem Eurokauf der Nationalbank zwei Sorten Geld entstanden.

Zum einen die 78 Milliarden zusätzliche Giroguthaben inländischer Banken, also Zentralbankengeld das ausschliesslich auf den Nationalbank-Girokonten zirkuliert. Und zum anderen 78 Milliarden neues Franken-Kreditgeld (Buchgeld) im allgemeinen Interbankenverkehr.

Nimmt man beispielsweise an, die Nationalbank habe in den vergangenen zwei Monaten bei der UBS 25 Milliarden Euros bezogen, so stiegen die Giroguthaben der UBS bei der Nationalbank um den entsprechenden Betrag in Girogeld. Während die UBS der deutschen, französischen, spanischen etc. Bank, die ihr die Euros lieferte, den entsprechenden Frankenbetrag bei der UBS gutschrieb.

Man darf davon ausgehen, dass die Euroland-Banken ihre wachsenden Frankenbestände nicht auf den Konten inländischer Banken liegen lassen, sondern an der Schweizer Börse und in Schweizer Immobilien investieren.  Und dort Kurse und Preise in die Höhe treiben.

Dienstag, 28. April 2020

Pietro Supino und die Glaubwürdigkeit der Tamedia Italienberichterstattung

Seit fünf Tagen sitzt der italo-schweizer Verleger und TX-Group-Präsident Pietro Supino im Verwaltungsrat des grössten italienischen Printmedienverlegers GEDI Gruppo Editoriale und steckt bereits bis zum Hals im grossen Kampfgetümmel um die Positionierung Post-Corona-Italiens in Europa und auf der Welt.

Zugegeben, ich bin kein Italienspezialist, habe nur gelesen der italo-amerikaner und GEDI-Präsident John Elkann benötige die vor sechs Monaten vom italo-schweizer Carlo De Bendedetti gekauften Medienkanäle zur Installierung von alt-EZB-Präsident Mario Dragi als Premierminister.

Das habe Elkann dem Verkäufer De Benedetti nicht gesagt, der ihm die Zeitungen nur verkaufte, weil seine Söhne, Rodolfo, Marco und Edoardo, denen er 2012 die Kontrolle über GEDI überliess, weder die Fähigkeiten noch die nötige Leidenschaft gezeigt hätten, Verleger zu sein.

Am vergangenen Samstag bezichtigte nun Verkäufer De Benedetti Käufer Elkann das GEDI-Flaggschiff Repubblica mit einem Chefredaktorenwechsel nach Rechts zu drehen. Und kündigte gleichzeitig die Gründung einer Repubblica 2.0 an.

Manche Kommentatoren glauben, ein solches neues De Benedetti Blatt werde sich mit den vereinigten Linken und Cinque-Stelle-Trümmern für Giuseppe Conte als Premierminister stark machen.

Wie auch immer, sicher ist, dass GEDI-VR Supino in den kommenden Konflikten der italienischen Politik jeweils Flagge zeigen muss. Dafür hat ihn Elkann geholt, und dafür gab er sein Bereiratsmandat bei der GEDI-Konkurrenz Corriere della Sera zurück.

Und noch was. Heute hat es der Tages-Anzeiger fertiggebracht, auf ⅔ Zeitungsseiten über den Konflikt zwischen Elkann und De Benedetti zu berichten, ohne Pietro Supinos VR-Amt in Elkanns GEDI-Medienimperium auch nur zu erwähnen.

Freitag, 24. April 2020

Pietro Supinos neuer Job in Italien

Bisher war Pietro Supino bekannt als Verleger und Verwaltungsrats-Präsident der börsenkotierten Zürcher Familienfirma TX Group (Ehemals Tamedia AG).

TX Group ist mit 3700 Beschäftigten der wohl finanzkräftigste Schweizer Medienkonzern. (Tages-Anzeiger, Basler-Zeitung, Berner Zeitung, der Bund, SonntagsZeitung, 24Heures, Le Matin Dimanche, 20 Minuten, 20 minutes,  20 minuti, die Online-Verkaufsplattformen Ricardo, tutti.ch, homegate, u.a.m.)

Der in Mailand geborene italo-schweizerische Doppelbürger Supino ist ein Ururenkel des deutschen TX-Group-Gründervaters Wilhelm Girardet.

Das Erbe seiner Mutter Rena Coninx Supino ermöglichte ihm nach einer Erstkarriere als Finanzanwalt, Offshore-Spezialist und Privatbanker in die Familienfirma einzusteigen,. Zuerst als Verwaltungsrat, ab 2007 als vollamtlicher Präsident.

Die in Deutschland und der Schweiz weitverzweigten Erbenfamilien Girardets und dessen Mitgründers, dem abgesprungenen NZZ-Redaktor Felix Walz, kontrollieren heute etwa 70 Prozent der TX Group Aktien Stimmen.

In den vergangenen Wochen gerieten Supino und die TX Group in die Kritik. Trotz Corona-Krise, hiess es, habe die Gruppe Dividenden an die schweizer und deutschen Familienaktionäre ausbezahlt, und mit der Forderung nach Kurzarbeitsentschädigung gleichzeitig tief in die Schweizer Staatskasse gegriffen.

Supinos neuer Job in Italien

Gestern wählte die italienische Mediengruppe GEDI Gruppo Editoriale Pietro Supino in Rom zum Verwaltungsrat. Mit den Titeln "La Repubblica", "L'Espresso", "La Stampa", u.a.m. ist GEDI der grösste Zeitungsverlag und eine der bedeutensten Meinungsmacherinnen Italiens.

Da stellt sich die Frage, wie der TX Group-Präsident diesen Job in Rom gelandet hat, und ob die TX-Group-Pulizistik davon beeinflusst wird.

Der starke Mann bei GEDI ist John Elkann, ein in den USA geborener Ururenkel des Fiat-Gründers Giovanni Agnelli. Elkann präsidiert auch die Autofirmen Fiat-Chrysler, Ferrari sowie die Agnelli-Familienholding Exor.

Exor hat GEDI vor einem halben Jahr von Carlo de Benedetti übernommen.

Im Exor Publizistikportfolio liegt bereits eine Beteiligung am Londoner Magazin "The Economist". Mit 43 Prozent ist die Agnelli-Familie die grösste Anteilseignerin am Economist vor der Rothschild-Familie mit 21 Prozent.

Erwähnenswert ist, dass GEDI-Präsident Elkann und GEDI-Verwaltungsrat Supino beide als Bilderberger bekannt sind, also als Teilnehmer an der halböffentlichen Konferenz der Mächtigen und der Reichen dieser Welt. Bilderberg ist wie das WEF, nur elitärer.

Was ist jetzt von all dem für die TX Group-Publizistik zu erwarten? Kommt es zum italo-helveto-teutoischen Euro-Verbund GEDI-TX-Süddeutsche?

So oder so bleibt es zu hoffen, dass sich Pietro Supino selber zu seinem Engagement bei GEDI äussert.


PS in eigener Sache:
Für diesen Blogpost habe ich erstmals den Wikipedia-Eintrag über Pietro Supino gelesen. Dazu hier soviel:
1. An der Darstellung in meinem Artikel "OFFSHORE-BANKEN Der Fall Moonstone Trust" in der WOZ Nr. 20/2008 vom 15.05.2008 halte ich fest.
2. Leider musste ich feststellen, dass die WOZ diesen Artikel in ihrem elektronischen Archiv später mit einer "Persönlichen Erklärung" Pietro Supinos ergänzt hat. Dies geschah ohne mich zu informieren in einer Weise, dass Durchschnittsleserinnen auf den ersten Blick davon ausgehen müssen, Supinos "Persönliche Erklärung" sei bereits Bestandteil des Origninalartikels gewesen. Doch das war nicht der Fall. Supinos Sprecher richtete mir damals aus, der Chef habe keine Zeit zur Beantwortung meiner Fragen. Von einem Verleger, dessen Publikationen tagtäglich Leute kritisieren, oder gar in die Pfanne hauen, hätte ich das nicht erwartet. Link: https://www.woz.ch/0820/offshore-banken/der-fall-moonstone-trust



Mittwoch, 25. März 2020

Die Nationalbank als universeller Schweizer Gesamtkapitalist - Post-corona Staatskapitalismus Ahoi!

Wirtschaftspolitisch machen Bundesrat und Nationalbank Nägel mit Köpfen.

Heute: Nationalbank-COVID-19-Refinanzierungsfazilität und Deaktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers.

Vor einigen Tagen: Nationalbank gewährt Grossrabatt auf Negativzinsen für die Banken und Ankündigung weiterer Interventionen auf den Devisenmärkten zur Schwächung des Frankens wovon das Bankensystem stark profitiert.

Für Nichtökonominnen: Will heissen, im Schweizer Landesinteresse mobilisiert die Nationalbank ihre 800 Milliarden Devisenreserven. Recht so, diese Reserven sind Schweizer Volksvermögen.

Mit dem vielen Geld geben geben Bundesrat, Kantone und Gemeinden gleichzeitig Gas mit Bürgschaften zur Rettung der Schweizer Volkswirtschaft mit zinsfreien Krediten.

Staatliche Kreditlenkung ist ein konstitutiver Bestandteil des Staatskapitalismus.

Damit ist vorerst fertig lustig mit dem anglo-amerikanischem Finanzkapitalismus neoliberaler Prägung, dem die Schweiz seit Beginn der 1980er Jahre huldigt - rein finanziell, man muss es sagen, erfolgreich.

Wer es noch nicht wusste, oder auch nach dem Finanzcrash 2008 nicht wissen wollte weiss es heute, zum nationalen Krisenmanagement im Ausnahmezustand taugt dieses globalisierte System gar nichts.

Bundesrat, Verwaltung und Nationalbank haben übernommen. Während sich die Bundesvesammlung und die Kantonalen Parlamente selber freiwillig aus dem Spiel genommen haben. Jämmerlich! Nur der Kanton Tessin hat die Ehre des Schweizer Parlamentarismus und Föderalismus gerettet.

Auch alle Parteien sind dabei, SP, Grüne und Alternative inklusive. Nationalrätinnen wie Cédric Wermuth, Tamara Funicello oder Balthasar Glättli, deren Aufstieg in linksgrünfeministischen Basisbewegungen begann, hängten die Schweizerfahne raus. Während sich die SP-Frau Jacqueline Badran vorbildlich für die krisengeschädigten Kleinunternehmerinnen ins Zeug legt.

Der einzig noch verbliebene Nestbeschmutzer weit und breit ist der Schriftsteller Lukas Bärfuss mit seinem Anti-Schweiz-Schmähreden in der deutschen Presse.

Gleichzeitig stehen die globalisierte Grosskonzerne mit historischen Schweizer Wurzeln im Abseits. Die wirtschaftspolitischen Rezepte von Roche, Nestle, Novartis UBS, Credit Suisse, ABB und wie sie alle heissen, die die neoliberale Denkfabrik Avenir Suisse finanzieren, sind ausser Kraft gesetzt, obwohl die Gewährsleute dieser Fraktion im SECO und andernorts in der Verwaltung den Ton angeben.

Auch medial hat die Stunde des Patriotismus geschlagen. Die libero-liberalen Euroturbos sind verstummt, während der neoliberal-konservative NZZ-Chefredaktor Eric Gujer mit Hirn, Herz und Schreibhand in Deutschland mitfiebert.

Ob sich der Schweizer Krisen-Staatskapitalismus nach der Corona-Pandemie verfestigt ist meines Erachtens nicht ausgeschlossen, dürfte von der Entwicklung in Weltwirtschaft, Welthandel und Weltfinanz insgesamt abhängen.

Freitag, 7. Februar 2020

Die NZZ hat Thiam erschossen - Der Kampf um die Credit Suisse geht weiter

Bis zum vergangenen 17. Dezember galt die Affäre Iqbal Khan als bedauerlicher Einzelfall.

Die Überwachungsaktion der Credit Suisse (CS) gegen ihren einstigen Spitzenmanager Iqbal Khan wurde untersucht, CS-CEO Tidjane Thiam habe nichts davon gewusst, sagte das mit der Untersuchung beauftragten Anwaltsbüro, ein Sündenbock wurde entlassen und CS-Präsident Urs Rohner stellte sich hinter Thiam.

Dann gab die NZZ mit einer dreiteiligen Serie über einen weiteren CS-Observationsfall Thiam zum Abschuss frei.

Das Halali konnte beginnen. Den Vogel abgeschossen hat Sonntagszeitungs-Chefredaktor Arthur Rutishauser mit nebulösen Vorwürfen, die CS habe Greenpeace infiltriert. Als Reaktion auf Rutishausers Artikel warf die linke Wochenzeitung WOZ die Frage auf, ob diese "Geschichte einer weiteren Intrige in der CS-Soap, mit dem Ziel (entspringt), den angeschlagenen Bankchef Tidjane Thiam aus dem Amt zu drängen."

Sorry WOZ, aber der Begriff "CS-Soap" ist voll daneben.

Der Kampf um die Führung in der CS ist keine Soap Opera. Es ist ein Kampf zwischen deutschen und französischen Finanzinteressen. Es geht um die Führung der zweitgrössten Bank des Franken-Währungsraumens in den Positionskämpfen der Finanzplätze London, Frankfurt und Paris in der Eurokrise nach dem Brexit.

Der grösste CS-Aktionär BCPE ist französisch. Zwischen BCPE und dem französischen Bankensystem insgesamt besteht traditionell eine Drehtürsituation. Der Franco-Ivorier Thiam und andere in der CS kommen aus dieser Umgebung. Die Exponenten des französischen Grossaktionärs haben sich stets für das Verbleiben von Thiam stark gemacht. Dazu kommt, dass der Katar-Staatsfonds als zweitgrösster CS-Aktionär über die Katar-Aussenpolitik geopolitisch eng mit Frankreich verbunden ist.

Der Deutschland-Bezug der CS ist weniger offensichtlich. Deutsche CS-Grossaktionäre gibt es keine, prominente Deutsche im Top-Management wie bei der UBS auch nicht. Geopolitisch ist Angela Merkel im Vergleich zu Emmanuel Macron ein Leichtgewicht.

Der wichtigste Hinweis auf die deutschen Interessen an der CS ist die gegenläufige Interessenlage des französischen und des deutschen Finanz- und Bankensystems im Euroland. Die ersteren sind Schuldner, die zweiteren sind Gläubiger - die entscheidende Differenz wenn der Euro crasht.

Wenn die deutsch fixierte Gujer-NZZ den frankophilen Tidjane Thiam abschoss, meine ich, tat sie das in Stellvertretung deutscher Gläubigerinteressen an einer Kontrolle der CS.

Ob die Identifikation mit den Finanzinteressen des grossen Kantons im Führungskampf bei der CS allerdings auch im Interesse des Finanzplatzes Schweiz liegt, steht auf einem anderen Blatt.

Ich meine nein. Die Zukunft dieser Finanzdrehscheibe liegt im Ausgleich und der Vermittlung. Dazu sind französisch gesteuerte Banken ebenso nötig, wie deutsch, amerikanisch, chinesisch oder russisch gesteuerte.

Im übrigen gilt, Thiams Rücktritt hat den Kampf um die Kontrolle der CS noch nicht entschieden.

Mittwoch, 5. Februar 2020

Frankreich kämpft um die Kontrolle der Credit Suisse

Der grösste Aktionär der Credit Suisse (CS) ist die französische Bankengruppe BPCE.

BPCE ist die 2009 gegründete Holding der französischen Volks- und Genossenschaftsbanken und zweitgrösste Bankengruppe des Landes.

Die führende Rolle beim Aufbau der BPCE spielte François Pérol, Inspecteur des Finances im Finanzministerium, Bürochef der französischen Industrie- und Finanzminister Francis Mer (2002-2004) und Nicolas Sarkozy (2004), 2007 avancierte er zum Wirtschaftsberater von Präsident Sarkozy, von 2009-2018 leitete er die BPCE.

Seit Napoléon im Jahr 1800 die Banque de France gründete, hat die offene Türe zwischen Staat und Banken in Frankreich Tradition. Bevor er in die Politik wechselte, war Präsident Emmanuel Macron bekanntlich Investment Banker bei der Rothschild Bank.

Für die geopolitischen Interessen Frankreichs ist die Kontrolle der zweitgrössten Bank des Franken-Währungsraumes von Bedeutung bei der anstehenden Post-Brexit-Positionierung der Eurofinanzplätze London, Frankfurt und Paris.

Die übrigen CS-Grossaktionäre scheinen anhand ihres Verhaltens in den letzten Monaten mit dem französischen Bestreben einverstanden und überlassen der BPCE bei der CS den Lead.

Allen voran der Staatsfonds des geopolitisch mit Frankreich verbündeten Katar, wo Macron Waffen liefert und Emir Tamim bin Hamad Al Thani gegen Saudi Arabien stützt.

Auf diesem Hintergrund dürfte sich der umstrittene CS-CEO Tidjane Thiam vorerst halten können.

Umso mehr, als CS-Präsident Urs Rohner keinen CS-Grossaktionär mehr hinter sich hat. Die amerikanischen Grossaktionäre die den Wirtschaftsanwalt Rohner 2004 von der deutschen Mediengruppe ProSiebenSat.1 Media AG in die CS-Geschäftsleitung holten, haben sich längst vom Paradeplatz verabschiedet.

Sonntag, 19. Januar 2020

Deutschlandfreund Eric Gujers Frontalattacke auf die neutrale Finanzdrehscheibe Schweiz

Als alter Bankenkritiker sag ich chapeau! NZZ-Chefredaktor Eric Gujer geht aufs Ganze.

Die Frontalattacke seiner deutschlandfixierten NZZ auf die frankophile Crédit Suisse (CS) könnte die neutrale Finanzdrehscheibe Schweiz ruinieren, und zum Satelliten des Finanzplatzes Frankfurt im Franken-Währungsraum degradieren.

Vis-à-vis der CS attackiert die NZZ gleichermassen scharf wie Insideparadeplatz, der Online-Newsletter von Lukas Hässig. Doch während der hemmungslose Hässig auch auf dem CS Rivalen UBS herumhackt, tut das die NZZ nicht. Das Verhältnis UBS-NZZ blieb seit der Finanzkrise 2007 in etwa gleich.

Das ist erklärungsbedürftig.

Meine Erklärung geht so: Eric Gujer, der mit Kopf, Herz und Schreibhand in Deutschland lebt, und die intellektuellen und finanzellen Ressourcen der NZZ zunehmend Richtung grosser Kanton verschiebt, ist mit seinem Blatt zwischen Hammer Deutschland und Amboss Frankreich geraten.

Amboss Frankreich? Zugegeben, meine Analyse, dass die Crédit Suisse geopolitisch von Paris aus gesteuert wird, und das der frankophone Tidjane Thiam nicht nur zum Geldverdienen CS-CEO geworden ist, teilt keine und keiner - was aber nicht heisst, dass sie nichts taugt.

Mein einschlägiges raisonnement hier, hier, hier, hier und hier.

Mich erstaunt immer wieder, wie selbst gestandene Wirtschaftsjournalisten den grössten CS-Aktionär Harris Associates als US-Fonds in ihre Argumentationen einführen, bloss weil Harris in Chicago domiziliert ist. Und nicht wahrhaben wollen, dass Harris zu 100 Prozent von Natixis kontrolliert wird, der Investmentbank der französischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken-Zentrale BPCE in Paris.

Seit einigen Jahren sind französische Finanzunternehen daran, ihre Positionen auf dem Finanzplatz Schweiz zu stärken. Neben der BPCE, welche die Führungsrolle in der CS übernommen hat, wäre hier die Kreuzbeteiligung von SIX und Wordline zu nennen. Oder der angekündigte Eintritt von Nathalie Rachou  in den Verwaltungsrat der UBS. Rachou ist ein Schwergewicht vom Finanzplatz Paris, seit zwölf Jahren Mitglied des Verwaltungsrats von Société Générale und vorher operativ bei Indosuez und Crédit Agricole.

Jetzt zur Geopolitik im Zeitalter der von US-Präsident Donald Trump angezettelten Wirtschafts-, Handels- und Währungskriege.

Die Realwirtschaft von Frankreich und Deutschland bilden das Fundament des Euro. Doch Schuldner Frankreich hat andere Interessen als Gläubiger Deutschland. Daraus resultiert eine unterschiedliche Geldpolitik, sowohl im Euroland als auch im globalen Wirtschafts-, Handel- und Währungskrieg.

Eine andere Folge der divergierenden französisch-deutschen Finanzinteressen ist die unterschiedliche Bedeutung der französischen und deutschen Euro-Währungspolitik im Franken-Währungsraum. Schuldner Frankreich muss hier anders manövrieren als Gläubiger Deutschland.

Wenn es zutrifft, dass die Pariser BPCE-Chefs ihren Einfluss bei der CS im französischen Landesinteresse wahrnehmen, bekommt Berlin ein Problem.

Hier liegt meines Erachtens der Hase im Pfeffer.

Was in Berlin ein Problem ist, ist auch eines für die Gujer-NZZ, deren Ausland- und Wirtschaftsteil zunehmend aus deutscher Optik geschrieben und redigiert ist. Deshalb darf das Blatt die früher befreundete, einstmals schweizerische, dann amerikanische, heute aber frankophone CS mit solch ätzenden scharfen Recherchen angreifen, wie sie nach 1968 auch unsere revolutionäre Antibankenprosa geschmückt haben.


PS: Diesen Blogpost widme ich dem Gedenken an meinen Ururururgrossvater, also dem Urgrossvater meines Urgrossvaters Christian Trepp (1739-1799). Er wurde Ende Februar 1799 in Splügen von französische Soldaten erschossen. Wie gleichentags auch Theodor Meuli und Thomas Prader in Nufenen. Wie ich dem Kirchenbuch entnehmen konnte, sind die drei am 26. Februar 1799 in ihrem Heimatdorf Nufenen begraben worden. Sie fielen einem schiessfreudigen Spähtrupp von General Claude-Jacques Lecourbe zum Opfer, der in Bellinzona den rechten Flügel der Armée d'Helvetie kommandierte. Am 6. März 1799 gab Obergeneral André Masséna in Sargans den Angriffsbefehl und bereits am 12. März waren die Österreicher aus Chur vertrieben. In diesen sechs Tagen hatten die durchmarschierenden 8000 Soldaten von Lecourbe das Rheinwald, das Schams und das Domleschg buchstäblich leergefressen. In Chur erklärte Masséna den alten Dreibündenstaat als abgeschafft, installierte eine provisorische Regierung aus frankophilen Bündnern, und empfahl dieser Regierung von Frankreichs Gnaden sich doch als Kanton der gerade aus den Ruinen der Eidgenossenschaft auferstandenen Helvetischen Republik in Aarau anzuschliessen.