Der Zusammenbruch der Bank Credit Suisse (CS) ist nicht bloss eine Wirtschaftsaffäre.
Der Bankensektor ist nebst dem Gesundheitssektor der staatlich höchstregulierte Wirtschaftssektor, was den Verlust von Alfred Eschers Kronjuwel des Schweizer Wirtschaftsliberalismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Staatsaffäre macht.
Folglich muss die Schuldfrage sowohl aus der Perspektive des operativen Bankgeschäftes, als auch aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Landesinteressen betrachtet werden.
Betrieblich stürzten die Abzocker aus Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, sowie einige Grossaktionäre die CS in den Abgrund. Mehrheitlich Ausländer, weil die CS bereits zu Beginn der 1990er Jahre zu einer bezüglich Führungspersonal, Arbeitsplätzen und Aktionariat entnationalisierte, vollglobale Grossbank mutierte.
Allein, auch nachdem nur noch Name, Geschichte und ein, wenn auch beträchtliches, so doch dem globalen Investment- und Vermögensverwaltungsgeschäft untergeordnetes Binnengeschäft schweizerisch waren, blieb die Bank rechtlich stets in der Schweiz inkorporiert.
Daraus resultiert die Crash-Mitschuld der vier hiesigen Staatskörperschaften Bundesrat, Parlament, FINMA und Nationalbank, die das Schweizer Bankensystem gemäss Verfassung und Gesetz regulieren, überwachen, kontrollieren und wenn nötig sanktionieren müssen.
Doch statt den Kipppunkt des CS-Zerfalls im Herbst 2022 zu erkennen, was meines Erachtens möglich gewesen wäre, haben diese vier allesamt geschlafen und erst reagiert, als es zu spät war.
Heute waschen sie sich die Hände in Unschuld.
"Die Verantwortung trägt die Führungsriege", sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter im NZZ-Interview (28.12.23), "sie hat die Bank in den Untergang geführt. Das war ein jahrelanger Zerfallsprozess".
Schuld sind die anderen, eine billigere Selbstabsolution und Rechtfertigung den Ausnahmezustand auszurufen und Notrecht anzuwenden, gibt es für eine Bundesrätin nicht.
Ganz abgesehen davon, dass der Bundesrat auch als Wahlgremium des Direktoriums der Nationalbank, und des Verwaltungsrats der Finanzmarktüberwachung FINMA in der Verantwortung steht.
Faul ist auch die Selbstabsolution auf der SNB-Webseite: “Die SNB hat ihre Rolle als Kreditgeberin in letzter Instanz vollumfänglich erfüllt. Es hat nie eine Situation gegeben, in der Liquidität beantragt worden ist, und die SNB diese verweigert hätte.”
SNB-Präsident Thomas Jordan muss vorausschauend agieren, nicht warten bis es knallt. Er hätte längst erkennen müssen, dass der jährliche Finanzstabilitätsbericht seiner Ökonomen das Risiko eines CS-Crashs jahrelang nicht adäquat abbildete.
FINMA-Chefin Marlene Amstad, deren Behörde am Pulsschlag des Bankensystems agiert, hätte den CS-Kipppunkt bei der ersten grossen Liquiditätskrise im Herbst 2022 als erste erkennen müssen. Doch auch sie verkannte, was es geschlagen hatte.
Zum Schluss noch ein Wörtchen zu den politischen Versagern im National- und Ständerat, die nach der staatlichen UBS-Rettung in der Finanzkrise 2008 ein völlig unbrauchbares "To-big-to-fail"-Gesetz legiferierten.
Das war umso schlimmer, als im Nachgang der 2008er Krise der Vorschlag einer völligen juristischen, kapitalmässigen und organisatorischen Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken auf dem Tisch lag.
Ein solches Trennbankengesetz hätte die CS-Geschäftsbank von den Fehlspekulationen und dubiosen Geschäften der CS-Investmentbanker abgeschottet.
Im Parlament eingebracht worden, waren die Trennbanken seinerzeit von den damaligen Nationalräten Corrado Pardini (SP) und Christoph Blocher (SVP) mit einem gleichlautenden Vorstoss. Leider liessen sich die beiden die Trennbanken von ihren jeweiligen Parteigenossen wieder abkaufen.
(Mittlerweilen wurde Pardini sowohl im Nationalrat, als auch in der UNIA-Geschäftsleitung von Tamara Funiciello weggefegt, was meines Erachtens sowohl die Gewerkschaften, als auch die SP schwächte, doch das ist eine andere Geschichte.)
Was sind die Lehren?
Aus bankbetriebswirtschaftlicher Sicht bleibt das Trennbankenprinzip das beste Rezept, den volkswirtschaftlichen Schaden eines allfälligen Crashs des Wasserkopfes UBS zu minimieren. Die UBS-Schweiz, inklusive globale Vermögensverwaltung ist per Gesetz völlig von der UBS-Investmentbank zu trennen.
Aus Sicht der wirtschaftlichen Landesinteressen gilt es die gesetzliche Regulation, Kontrolle, Überwachung inklusive Sanktionsregime im Finanzsektor es als Reaktion auf den CS-Crash strukturell zu stärken.
Doch davor scheinen die vier erwähnten verantwortlichen politischen Körperschaften zurückzuschrecken.
Das Parlament debattiert meines Wissens keinen dringlichen Vorstoss für ein Trennbankensystem.
Während der oberste Geldpolitiker Jordan und die freisinnige Finanzministerin Keller-Sutter unverdrossen im Einklang mit den neoliberalen Dogmen der Trennung von Wirtschaft und Staat sowie der politisch unabhängigen Zentralbank agieren.
Was umso unverständlicher ist, als sich Finanzminister und Zentralbankchefs anderswo zunehmend annähern. In den USA, im Vereinigten Königreich, in China und Russland sowieso, verschmelzen Geldpolitik und Fiskalpolitik. (Ausnahme von der Regel ist das Euroland als reine Währungsunion ohne Fiskalunion; ist der Hauptgrund, weshalb dem Euro keine gute Zukunft prognostiziert werden kann.)
Der unipolare, Dollar-dominierte, globale Finanzkapitalismus neoliberaler Prägung, der die Weltfinanz seit Mitte der 1980er Jahre dominiert, ist ein Auslaufmodell. Eine multipolare, re-regionalisierte, staats- oder finanzkapitalistisch ausdifferenzierte Weltfinanz steht vor der Tür.
Die Zeichen an der Wand stehen für einen >>Umbruch im Weltfinanzsystem. Doch SNB-Präsident Jordan und Finanzministerin Keller-Sutter sehen das Menetekel nicht.
Das Verhalten der Schweiz in der anstehenden Frage der Behandlung der eingefrorenen Russischen Währungsreserven und Privatvermögen - Rückgabe oder Konfiskation zuhanden der Ukraine - wird zum Lackmustest, ob das auch zukünftig so bleibt.