Sonntag, 15. Januar 2023

SNB-Inflationsbekämpfung operiert "ultra vires": Vorrangig Banken subventionieren sprengt Mandat und verletzt Gesamtinteresse des Landes

Auf der SNB-Webseite heisst es: "Die Schweizerische Nationalbank führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik des Landes. Sie muss sich gemäss Verfassung und Gesetz vom Gesamtinteresse des Landes leiten lassen, als vorrangiges Ziel die Preisstabilität gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen."

    Dieses geld- und währungspolitische Mandat erfüllt die gegenwärtig praktizierte SNB-Inflationsbekämpfung nicht.

    Wohl verschob die SNB den Fokus der Gelpolitik im vergangenen Juni richtigerweise von der Frankenkurs-Stabilisierung zur Inflationsbekämpfung. Doch der dazu eingeschlagene Weg subventioniert die Banken mit Milliarden, während Kantonen und dem Bund gleichzeitig Ausschüttungen in Milliardenhöhe vorenthalten werden. (Gemäss Verfassung gehen ⅔ des SNB-Gewinns an die Kantone, gemäss SNB-Gesetz ⅓ an den Bund.)


SNB verweigert Ausschüttungen an Kantone und den Bund

Wenn die Nationalbank per 2022 keinen Gewinn, sondern einen Verlust von 132 Milliarden ausweist bedeutet das keineswegs, dass die SNB keine Ausschüttungen an Kantone und Bund ausrichten kann.

    Verluste einer Zentralbank sind nicht dasselbe wie Verluste von Privatunternehmen. Die SNB kann nicht Pleite gehen. Dank Notenmonopol und dem internationalen Vertrauen in die gesuchte Hartwährung Franken, ist die Finanzierung der SNB-Aktiven praktisch gratis.

    Oder anders gesagt, Ausschüttungen an Kantone und Bund sind auch in Jahren mit SNB-Verlusten nicht nur möglich, sondern im Landesinteresse nötig.

    Zyniker könnten sagen, schliesslich kassieren Bankenbosse per 2022 selbst bei der maroden CS fette Boni. 

    Zynismus beiseite, der SNB-Verlust ist ein Buchgeldverlust. Während der geldpolitischen Phase der Währungsstabilisierung hat die SNB die Zinsen zuerst auf Null dann auf Unternull gesenkt und gleichzeitig im privaten Bankensystem für viele hundert Milliarden Franken Wertpapiere in ausländischer Währung gekauft, die in guten Börsenjahren fette Kursgewinne abwarfen.

    Gekauft haben die Wertpapiere private Banken im Auftrag der SNB, bezahlt hat die SNB diese Banken mit Zentralbankengeld auf deren SNB-Konto, das sie kraft Gesetz per Computerklick selber schöpfen kann. Selbstgeschöpfte Buchgeldfranken gegen Wertpapiere in Fremdwährung, das war der Deal. (Hat funktioniert, weil die Banken dieser Welt an die Hartwährung Franken glauben und bereit sind, Euros in Franken zu tauschen.) 

    Von der so akkumulierten Billion sind 2022 infolge gesunkener Börsenkurse 132 Mia. verpufft. Wenn die Kurse wieder steigen, kommen diese Milliarden wieder zurück, wenn nicht nicht.

    So oder so, für die Ausschüttung an Kantone und Bund spielt dies keine entscheidende Rolle. Einige Milliarden Buchgeld mehr oder weniger beeinflussen die Inflationsbekämpfung kaum.

    Dazu kommt, dass die buchhalterischen Details der Verlustverteilung vom Direktorium willkürlich geregelt wurden. (Verlust vollständig über Ausschüttungsreserve abgebucht, Rückstellungen für Auslandsinvestitionen nicht nur geschont, sondern um 10 Mia. erhöht.)

    Der auf diesem Hintergrund gefasste Beschluss des SNB-Direktoriums, der Jahresverlust der Nationalbank verunmögliche eine Gewinnausschüttung an Kantone und Bund ist meines Erachtens nicht haltbar. 

    Das ist mehr als ein Fehlentscheid in der Inflationsbekämpfung. Der Entscheid liegt, wie die Juristen sagen "ultra vires" (jenseits der Befugnisse) und verletzt das Gesamtinteresse des Landes.


SNB subventioniert das Bankensystem

Die erwähnte jahrelange Frankenschwächung mit Negativzins und Eurokauf gegen Franken führte zu historisch beispiellos hohen Sichtguthaben des Bankensystems bei der SNB. (Das Zentralbankengeld, das die SNB den privaten Banken gegen Lieferung von Euros auf deren SNB-Konten überwies, liegt heute noch dort. Die privaten Banken haben dem Devisenhändler diese Euros nicht mit dem erhaltenen SNB-Zentralbankengeld bezahlt, sondern mit einer Gutschrift auf dem Konto der betreffenden Devisenlieferantin bei ihr selber.)

    Dieser Mechanismus hat dazu geführt, dass die Banken seit der Finanzkrise 2008 fast 600 Milliarden Sichtguthaben auf ihren SNB-Konten akkumulierten. Bis Juni 2021 mussten sie auf einen Teil davon 0.75 Prozent Minuszins abliefern. Heute bekommen sie auf einen Teil davon 1 Prozent Zins ausbezahlt. Mit der Aussicht, dass dieser Leitzins weiter steigt.

    1 Prozent von 600 Milliarden? Rechne!

    Die SNB sagt, diese Subventionen an die Banken seien der unverzichtbare geldpolitische Transmissionsriemen zur Vermittlung der Leitzinserhöhung in die Realwirtschaft wie zur Inflationsbekämpfung nötig.

   Vielleicht glauben die SNB-Ökonomen ja tatsächlich an die Rückkehr der Geldpolitik zum Status quo ante, sprich an die stets beschworene Normalisierung und Rückkehr in die Zeit der anglo-amerikanischen Globalisierung neoliberaler Prägung vor der Finanzkrise 2008.

    Umso schlimmer, denn diese Rückkehr ist Wunschdenken. Vor uns liegen Polykrise, miteinander verschränkte Gewalt- Wirtschafts- und Währungskriege in einer Welt, die sich wieder in zwei Blöcke teilt.

    In diesem Umfeld produziert die aktuelle Inflationsbekämpfung mit konventioneller, die Bundeskasse schwächender Zinspolitik vermeidbare wirtschaftliche Flurschäden.

    Die SNB ist im Begriffe gröbere Fehler zu begehen, die Schweiz braucht eine bessere Geld- und Währungspolitik. 

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