Sonntag, 1. Dezember 2024

"President-elect" Donald Trump ruft Währungskrieg aus

Gestern spülte mir der X-Algorithmus folgenden verifizierten Tweet des designierten US-Präsidenten Donald Trump auf den Schirm:

Die Vorstellung, dass die BRICS-Staaten versuchen, sich vom Dollar abzuwenden, während wir daneben stehen und zusehen, ist VORBEI.

Wir verlangen von diesen Ländern die Zusage, dass sie weder eine neue BRICS-Währung schaffen noch eine andere Währung unterstützen, die den mächtigen US-Dollar ersetzt, sonst drohen ihnen 100 % Zölle und sie müssen damit rechnen, dass sie ihre Waren nicht mehr in die wunderbare US-Wirtschaft verkaufen können.

Sie können sich einen anderen „Trottel“ suchen! Es besteht keine Chance, dass die BRICS-Staaten den US-Dollar im internationalen Handel ersetzen, und jedes Land, das es versucht, sollte Amerika Lebewohl sagen.

Anders gesagt, hat Donald den Fehdehandschuh aufgenommen, den ihm Wladimir Wladimirowitsch kürzlich an der BRICS-Konferenz in Kasan vor die Füsse schmiss.

Mal abgesehen davon, dass Putin dort ausführte, eine BRICS-Währung sei noch in weiter ferne, aktuell gehe es darum, dass die BRICS-Länder ihren Aussenhandel nicht mehr in Dollar, sondern in einer der zwei Landeswährungen der jeweiligen Handelspartner fakturieren, ist Trumps Botschaft klar:

Währungskrieg!

Sollte der Trump'sche Währungskrieg gegen die BRICS-Staaten tatsächlich Fahrt aufnehmen, profitiert die Hartwährung Schweizer Franken, die seit fast einem Jahrhundert als Zahlungsmittel im Welthandel akzeptiert ist. 

Laut neuester Statistik der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), generierte der Franken 2022 ungefähr 5,2 Prozent des täglichen Volumens auf den globalen Devisenmärkten.

Wieviel davon rein spekulative Transaktionen sind und wieviel Welthandels-Zahlungsverkehr, kann nicht genau bestimmt werden, da Handelsstatistiken die verwendete Währung oftmals nicht erfassen. Klar jedoch ist, die Währung des Kleinstaates Schweiz ist nach den Spitzenreitern Dollar und Euro, eine der weltweit wichtigsten Währungen im internationalen Zahlungsverkehr.

Voraussetzung für die Erhaltung der Funktion des Franken als universales Zahlungsmedium im internationalen Handel ist, dass Politik, FINMA und SNB den Einsatz des Frankens für Transaktionen zwischen zwei BRICS-Ländern erlauben, bei denen Zahler, Empfänger und zahlungsauslösendes Grundgeschäft nach schweizerischem Recht legal sind. Also darauf verzichten, Trump-inspirierte Währungskrieg-Boykotte und -Sanktionen zu übernehmen.

Sollte dies geschehen, gehen hiesige Banken das Risiko ein, von der "wunderbaren US-Wirtschaft" (Trump) ausgeschlossen zu werden und Amerika Lebewohl sagen zu müssen, falls sie im internationalen Handel weiterhin Franken-Zahlungsverkehr vermitteln wollen.

Für die Grossbank UBS, die einen Ausbau ihres US-Geschäftes anstrebt, ist das besonders gefährlich.

Auf diesem Hintergrund wird die von der Grossbank bei der US-Währungsaufsicht OCC unlängst beantragte Zulassung als «National Bank», zur Vorbereitung auf den kommenden Währungskrieg. 

Der National-Bank-Status ist für die UBS ein grosser Schritt weg von seinen historischen Wurzeln in der Schweiz zu einem US-amerikanischen Finanzkonzern für US-amerikanische Kunden und solche aus mit den USA verbündeten Staaten und Vasallenstaaten. Mit angehängter Filiale für das Schweizer Binnengeschäft.

Im Zweiten Weltkrieg funktionierte die geopolitische Trennung des Finanzplatzes wie folgt: Es gab drei Grossbanken, die ausschliesslich Transaktionen im Alliierten Machtbereich vermittelten, nämlich die Schweizerische Bankgesellschaft, der Schweizerische Bankverein und die Schweizerische Kreditanstalt, die alle drei bereits vor Kriegsausbruch personell und kapitalmässig getrennte Gesellschaften an der Wall Street gegründet hatten.

Und drei andere Grossbanken, die ausschliesslich Transaktionen im Bereich der Achsenmächte und den Besetzten Gebieten vermittelten, nämlich die Eidgenössische Bank, die Basler Handelsbank und die Bank Leu, die dort ebenfalls vor dem Krieg personell und kapitalmässig getrennte Gesellschaften gründeten. Im Sommer 1945 gingen die drei letzteren in Konkurs, und wurden von den drei ersteren geschluckt. (Leu wurde später wieder verselbständigt.)



Donnerstag, 21. November 2024

Chinas Offshore-Dollar-Anleihen: Wie die USA schrittweise die Kontrolle über das dollarbasierte Weltwährungssystem verlieren

Letzte Woche emittierte das chinesische Finanzministerium (MoF) in Riad, Saudi-Arabien, erstmals eine Staatsanleihe über 2 Milliarden US-Dollar mit einem Coupon von knapp unter 2 Prozent.


Die Kanzlei Linklaters beriet das MoF bei der US-Regulation-144A- und Reg-S-konformen Strukturierung der Anleihe.


Die Anleihe, die von Fitch mit A+ bewertet wurde, war 20-fach überzeichnet.


Die Bonds sind an der NASDAQ-Börse in Dubai gelistet und konnten bisher im Sekundärmarkt mit vergleichbaren US-Staatsanleihen mithalten.


Chinesische Offshore-Dollar-Bonds sind nicht völlig neu; das MoF hat solche Titel bereits von 2017 bis 2021 in Hongkong emittiert. Allerdings markiert die neue Serie, die mit Zustimmung von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in Riad begeben und in Dubai gehandelt wird, eine neue Dimension

Wie geht es weiter?

Sollten das MoF, Saudi-Arabien und die VAE ein größeres Offshore-Dollar-Bond-Programm planen, hätte das zwei positive Auswirkungen für China und weniger vorteilhafte für die USA.

Erstens würden die enormen chinesischen Dollar-Guthaben aus Exporten in die USA durch die Dollar-Schulden gegenüber den Käufern der chinesischen Offshore-Dollar-Anleihen neutralisiert, was die Abhängigkeit Chinas von der US-Währungspolitik reduzieren würde. 

Zweitens könnten sich BRICS-Staaten und Länder des Südens Dollar zu deutlich besseren Konditionen beschaffen als von den USA, anderen westlichen Staaten oder der Weltbank. Saudi-Arabien und die Golfstaaten erhielten eine Alternative zu Investitionen in US-amerikanische Staatsanleihen, was der chinesischen Aussenwirtschaftspolitik und Projekten der Neuen Seidenstraße zugutekäme.


Im Bezug auf die Rückzahlung könnte China sich beispielsweise mit Pakistan darauf einigen, dass die, sagen wir, 14 Milliarden Offshore-Dollar-Bonds nicht in Dollar, sondern in einer anderen Währung zurückgezahlt werden.


Bezüglich möglicher Sanktionen wären US-Maßnahmen gegen Offshore-Bond-Inhaber kontraproduktiv, da die globale Akzeptanz des Dollars darunter leiden, und seine Rolle als weltweite Reservewährung schwächen würde


Es würde ein von China kontrollierter Teil des dollarbasierten Weltwährungssystems entstehen, in dem die USA die Dollars emittieren, während China kontrolliert, wohin diese investiert werden


Zugegeben, so weit ist es noch nicht, aber die China-Offshore-Dollar-Anleihe aus Riad ist durchaus ein deutliches Signal.

Samstag, 2. November 2024

BIZ-Chef Augustin Carstens: Zentralbanken-Kooperation selektiv

Manchmal geht es schnell, zwei Tage nach meinem Blogpost vom 29.10.24 zum Projekt mBridge, stoppte BIZ-Präsident Augustin Carstens die Beteiligung des BIZ Innovation Hubs an diesen gemeinsamen Projekt mit der Hongkong Monetary Authority (HKMA), Bank of Thailand (BOT), der People’s Bank of China (PBOC) und der Central Bank of the United Arab Emirates (CBUAE).

mBridgekurz für Multiple CBDC Bridge, zielt darauf, digitale Währungen (Central Bank Digital Currencies, CBDCs) durch Nutzung von Distributed-Ledger-Technologie (DLT) sichere, nachvollziehbare und unveränderliche Transaktionsaufzeichnungen für grenzüberschreitende Zahlungen zu ermöglichen.

Die Initiative dazu ergriffen 2019 HKMA und BOT, später stiessen PBOC, CBUAE und der BIS Innovation Hub zum Projekt.

Fünf Jahre später sind die Erkenntnisse dieses Projektes der internationalen Zentralbankenkooperation im Rahmen der BIZ wegweisend für die zukünftige Gestaltung des internationalen Zahlungsverkehrs.,

Die mittlerweile operative Plattform mBridge nutzt technologische Innovationen zur Verbesserung von Effizienz, Sicherheit und Inklusivität des globalen Finanzsystems und verbindet auf dieser Basis verschiedene nationale Central Bank Digital Currencies (CBDCs).

Chinesische Institutionen und Technologieunternehmen sind wesentlich an der Entwicklung der interoperablen Plattform für CBDSs beteiligt, genaue Informationen dazu gibt es nicht.


Warum stoppt jetzt der Gralshüter der internationalen Zentralbanken-Kooperation Carstens die Teilnahme seines Innovation Hubs an dessen vielleicht erfolgreichste Projekt?

Die Antwort auf diese Frage scheint klar, der Mexikaner stoppte ein Projekt, das den Interessen der beiden BIZ-Schwergewichte US Federal Reserve System und Europäische Zentralbank gar nicht passt, weil die Innovation deren Möglichkeit mindert, sich in der eigenen Währung zu verschulden.

 mBridge ist ein weiterer grosser Schritt zur De-Dollarisierung und De-Euroisierung des Welthandels. Auf dieser Digitalplattform kann beispielsweise China seine enormen Öl- und Gasimporte aus den Emiraten mit Renminbi-CBDCs oder Dirham CBDC bezahlen, während die Emiratis umgekehrt ihre chinesischen Elektroautos und sonstigen Importe mit Dirham-CBDCs oder Renminbi-CBDCs begleichen können. 

Solange gegenseitiges Vertrauen besteht, werden nationale Währungen transnational interoperabel.

So wie die Dinge heute liegen scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bevor steigende CBDC-Transaktionen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr den Anteil der heute (noch) hegemonialen Dollar- und Euro-Transaktionen substanziell vermindern. 

Hierzulande hat die SNB die Schaffung von Franken-CBDCs ebenfalls vorangetrieben. Sie testete grenzüberschreitender Franken-CBDC-Zahlungen auf Basis der DLT-Technologie in mehreren Experimenten mit europäischen Zentralbanken (nicht mit der EZB), privaten Banken und der Börse SIX. Fazit: es funktioniert.

Diesen Weg sollte das SNB-Direktorium jetzt weiter gehen. Als nächster Schritt - im Sinne des politischen Mandates der SNB, Geldpolitik stets im Landesinteresse zu betreiben - empfiehlt sich die Implementation von Franken-CBDCs auf der Transaktionsplattform mBridge

Dienstag, 29. Oktober 2024

BIZ-Projekt mBridge: Die Finanzdigitalisierung stösst an ihre politischen Grenzen

Gestern verbreitete der kanadische Finanznachrichtendienst BNN Bloomberg eine Story, wonach die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ in Basel sich intern überlege, das BIZ-Projekt mBridge zu stoppen.

mBridge soll durch direkte digitale Verbindungen zwischen den Zentralbanken weltweite Finanzüberweisungen in Lokalwährungen ausserhalb des derzeitigen dollarbasierten Systems der Korrespondenzbanken ermöglichen.

Die Software von mBridge haben die Zentralbanken Chinas, Thailands, Hongkongs und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im Rahmen des BIZ Innovation Hub entwickelt. Die chinesische Hardware hat das Stadium des „Minimum Viable Product“ für konkrete Tests erreicht.

Im Januar dieses Jahres sendete die Zentralbank der VAE eine erste grenzüberschreitende Zahlung von „digitalen Dirham“ im Wert von 50 Mio. Dirham (13,6 Mio. USD) über mBridge nach China. 

Im Juni lud die BIZ private Kreditgeber und andere Geldinstitute ein, auf mBridge Test-Transaktionen durchzuführen. 

Für Akteure aus Thailand, Hongkong und den VAE gibt es keine bessere Methode zur Umgehung der US-Finanzsanktionen, als die BIZ Innovation Hub gesponsorte Digitalplattform mBridge.

Kein Wunder, empfahl der russische Präsident Putin vergangene Woche auf dem BRICS-Gipfel in Kasan den BRICS-Zentralbanken die Schaffung einer BRICS-Brücke auf Basis der mBridge Technologie. 

Während BIZ-Generaldirektor Agustin Carstens bei der Group of 30 drüben in Washington laut BNN Bloomberg gleichzeitig betonte, dass „wir (BIZ) kein Projekt für die BRICS direkt unterstützen können, weil wir nicht mit Ländern zusammenarbeiten können, die Sanktionen unterliegen.“

Soll die BIZ im Zweiten Kalten Krieg weiterhin eine neutrale Plattform für die weltweite Zentralbanken-Kooperation bleiben, oder folgt die älteste internationale Finanzinstitution der Welt dem Rat ihres aktuellen Generaldirektors, und stärkt damit das immer weiter ausgreifende Finanzsanktions-Regime des Westblocks?

Das ist eine wichtige Frage die auch das Direktorium des BIZ-Gründungsmitgliedes SNB beantworten muss.
 
PS: Während des Zweiten Weltkrieges arbeiteten Banker der Alliierten und der Achsenmächte, abgeordnet von der Bank of England, der Deutschen Reichsbank, der Banca d'Italia und der Bank of Japan, unter einem amerikanischen Geschäftsführer im gleichen Haus in Basel. Nach dem amerikanischen Kriegseintritt im Dezember 1941 konnte die BIZ mit dem nun nicht mehr neutralen US-Amerikaner an der Spitze nur überleben, weil sich SNB-Präsident Ernst Weber widerwillig bereit erklärte, als immer noch neutraler Schweizer die Präsidentschaft zu übernehmen. 

Sonntag, 27. Oktober 2024

Nochmals zur Theorielastigkeit und politischen Unerfahrenheit des neuen SNB-Direktoriums

Die drei neuen Chefs der Nationalbank (SNB) sind hochspezialisierte Zentralbank-Ökonomen, zwei davon reine Theoretiker. Lediglich der neue Präsident konnte in der SNB-Zweigstelle Singapore auch Erfahrungen im Devisenhandel sammeln. Dieses Praxisdefizit im Direktorium lastet als Hypothek auf der Durchsetzung des verfassungsmässigen und gesetzlichen Mandates der SNB.

Der Erhalt des stabilen Frankenwertes unter Berücksichtigung der Konjunktur wird unter den Bedingungen des kommende Währungskrieges zwischen dem dollarbasierten Westblock und dem entstehenden BRICSblock von der rein ökonomischen zur politökonomischen Herausforderung

Bislang liefen die Beziehungen der SNB zu anderen Zentralbanken problemlos über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Doch die seit 1930 existierende Bank der Zentralbanken, die erste internationale Finanzorganisation, ist im Begriff, zur Bank der Westblock-Zentralbanken zu schrumpfen.

Die BIZ-Mitgliedschaft der Bank von Russland ist seit dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine  im Februar 2022 faktisch suspendiert. Kommuniziert wird das nicht, die BIZ ist diskret. 

Seither stellte die Bank von Russland ihre internationalen Zentralbankenbeziehungen mit Volldampf auf eine neue, BIZ-freie Basis. Wer mehr darüber wissen will, braucht bloss ein bisschen auf der Webseite der Bank of Russia herumzuturnen. Oder den Report über die Finanzbeziehungen der BRICS-Staaten zu lesen, den sie zum kürzlichen BRICS-Gipfel in Kazan publizierte.

Hier nur soviel, BRICS will das dollarzentrierte Globalsystem des Finanzkapitalismus in einem ersten Schritt vom Welthandel trennen, indem der Zahlungsverkehr im Handel bilateral über die jeweiligen Landeswährungen abgewickelt wird. Dass beispielsweise Lieferungen von Saudischem Erdöl nach China nicht mehr wie bisher in Dollar fakturiert sind, welche sich die Chinesen auf dem Devisenmarkt beschaffen müssen, sondern in Saudi Rial, welche die Chinesen aus ihren Warenlieferungen nach Saudi Arabien zur Verfügung haben.

Der Status der Chinesischen Volksbank bei der BIZ ist für mich als alter BIZ-Beobacher schwieriger zu beschreiben - kein Bluff, mach ich seit über einem halben Jahrhundert. Faktisch suspendiert hätte ich vor einem halben Jahr noch nicht gesagt, nach dem BRICS-Gipfel in Kazan würde ich das jedoch wagen.

Wie soll sich das dem Landesinteresse verpflichtete SNB-Direktorium hier verhalten? Sowohl BIZ-intern, als auch im bilateralen Verhältnis mit der Bank von Russland und der Chinesischen Volksbank.

Machen die  neuen auf diesem Terrain Fehler, gehts ins Auge.

Pro Memoria: Der Fehler aller Fehler in der 117jährigen Geschichte der SNB war kein geldpolitischer, sondern ein politökonomischer. Nämlich die wissentliche Übernahme von Raubgold aus Deutschland im Zweiten Weltkrieg unter dem Deckmantel einer geldpolitischen Argumentation.

Im August 1943 besuchte Yves Bréart de Boisanger von der Banque de France (Vichy) den SNB-Präsidenten Ernst Weber in Zürich. Der Vichy-Mann sagte Weber, die Banque de France akzeptiere nicht, dass die SNB von der Reichsbank als Bezahlung für nach Deutschland gelieferte Schweizer Waren Deutsches Raubgold aus Belgien annehme. Die Belgier hätten vor dem Krieg 198 Tonnen Gold in Frankreich eingelagert, dessen Auslieferung die Deutschen später von Vichy-Frankreich verlangt hätten. De Boisanger meinte, wie der Krieg auch ausgehe, das in der Schweiz verkaufte, einstmals bei der Banque de France eingelagerte Deutsche Raubgold aus Belgien werde die Banque de France von der SNB sicher zurückfordern. 

Webers Antwort an de Boisanger liest sich im Direktoriumsprotokoll (12.8.1943) wie folgt: "Die Schweiz besitzt eine Goldwährung. Die Schweiz nimmt daher Gold von allen Ländern und gibt Gold an alle Länder. Es ist nicht möglich, die Entgegennahme von Gold einem einzelnen Lande abzulehnen; das würde auch der Neutralität der Schweiz widersprechen. Im übrigen kann die Nationalbank dem Gold, das ihr von der Deutschen Reichsbank verkauft wird nicht ansehen, woher es kommt. Die Nationalbank darf annehmen, das das Gold, das sie von der Reichsbank bekommt deren Eigentum sei, über das sie frei verfügen könne."

Ernst Weber, der seit der SNB-Gründung 1907 dort arbeitete, seit 1939 als Präsident des Direktoriums checkte nicht, dass eine rein geldtheoretische Argumentation in der Frage der Akzeptanz von Deutschem Raubgold nicht ausreichte.

Donnerstag, 26. September 2024

Thomas Jordans Hinterlassenschaft

Ende Monat geht Nationalbankpräsident Thomas Jordan vorzeitig in Rente.

Der Nationalbank (SNB) hinterlässt er zwei grosse Baustellen, die übergrosse Bilanz und die unzweckmässige Organisationsstruktur.

SNB-Bilanz zu gross

Zur Beurteilung der SNB-Bilanzproblematik ist folgende Vorbemerkung angebracht: Eine Zentralbankenbilanz ist etwas fundamental anderes als eine Bilanz einer privaten Bank gemäss Bankengesetz und Obligationenrecht. 

Als staatliche Zentralbank des Schweizer-Franken-Geldsystems, gehört die SNB Bund und Kantonen. Sie ist verfassungsmässig und gesetzlich befugt, aus dem Nichts Franken-Girogeld zu schöpfen.

Also jene Sorte Geld die, nota bene, nicht in der Realwirtschaft zirkuliert, sondern ausschliesslich im Bankensystem, also zwischen SNB, privaten Aktienbanken und Finanzgesellschaften, schweizerische, plus einige grosse globalisierte.

Geldschöpfung aus dem Nichts praktizierten Thomas Jordan und sein Vorgänger Philipp Hildebrand im Nachgang der Finanzkrise 2008/2009 seit etwa 2010 in grossem Stil. 

Grund dafür war der chronische Kurszerfall des Euro im Vergleich zum Franken. Da steigende Frankenkurse die Produkte der Schweizer Exportindustrie und die Tourismus-Dienstleistungen für Ausländer verteuern, gab die SNB zur Stärkung des hiesigen Wirtschaftswachstums Gegensteuer.

Und kaufte zur Schwächung des Aufwertungsdruckes auf den Franken hunderte von Milliarden Euros, die mit selbstgemachten SNB-Girofranken bezahlt wurden. 

Diese Euros, mittlerweilen auch in andere Weltwährungen konvertiert und in diesen Währungsräumen in Aktien und Obligationen investiert, bilden heute den weitaus grösste Aktivposten der SNB-Bilanz. 

Die selbstgemachen Girofranken mit denen die Euros bezahlt wurden, stehen als Sichteinlagen des Bankensystems als weitaus grösster Passivposten in der SNB-Bilanz.

Diese Politik der Frankenschwächung durch Eurokäufe hat die SNB-Bilanz massiv aufgebläht, sie ist heute ungefähr gleich gross wie das Bruttoinlandsprodukt BIP, der Indikator für die gesamte Wirtschaftstätigkeit in der Schweiz in einem Jahr. 

Das ist, mit Ausnahme Japans einzigartig, und nach weitherum gängiger Ansicht viel zu hoch.

Das Vertrauen in eine Frankenwährung, deren Geldmenge nach jeder Definition in einem grotesken Missverhältnis zur Schweizer Realwirtschaft steht, muss früher oder später verloren gehen.

Der daraus resultierende Frankencrash wäre dann ein historisch beispielloser, gröberer Schock für die bis heute privilegierte Insel der Glückseligen. (Okay, privilegiert sind längst nicht alle, aber die Mehrheit schon.)

Diese Situation führt zur Frage, wie die überschüssigen Devisenbestände und die überschüssigen Sichteinlagen des Bankensystems bei der SNB reduziert werden können.

Dazu nochmals eine Vorbemerkung. Die Sichteinlagen des Bankensystems bestehen aus SNB-Giralgeld, das die SNB-Geldpolitik zwecks Eurokauf aus dem Nichts geschaffen hat, und das als Folge der technischen Umstände des SNB-Eurokaufes auf die SNB-Giralgeldkonten des Bankensystems floss.

Zu diesen technischen Gründe hier soviel, der Kontostand auf den Giralgeldkonten des privaten Bankensystems ist kein relevanter Faktor in dessen gewinnstrebigem Geschäftsmodell. Die dort parkierte Summe widerspiegelt die Technik der SNB-Geldpolitik. 

Sowohl der Abbau der überschüssigen Devisenbestände als auch der Abbau des überschüssigen SNB- Giralgeldes auf den Sichtkonten des Bankensystems sind geldpolitische Massnahmen in der Kompetenz des SNB-Direktoriums.

Dieser Abbau ist überfällig, Thomas Jordan hat dem neuen SNB-Führungstrio eine Hypothek hinterlassen, hier müssen Martin Schlegel, Antoine Martin und Petra Tschudin liefern.

Die SNB-Führung ist unzweckmässig organisiert.

Aus wirtschaftlichem Landesinteresse der Schweiz ist zu hoffen, dass die drei neuen im Direktorium sich ihrer schwierigen Aufgabe gewachsen zeigen 

Was allerdings nicht verschwiegen werden darf, der Selektionsprozess, der zu dieser Zusammensetzung führte war unbefriedigend.

Jordan hat seinen Ziehsohn ins Präsidium gehievt, in der US-amerikanischen Zentralbank einen hierzulande unbekannten Quotenwelschen aufgestöbert, und eine Quotenfrau aus dem erweiterten Direktorium ins Direktorium befördert.

Wieviel dabei der Bundesrat als Wahlbehörde und der Bankrat als Aufsichtsbehörde mitreden durften blieb schleierhaft.

All das, weil es Thomas Jordan in seinen 12 Jahren Präsidentschaft versäumte, die längst nicht mehr zweckmässige SNB-Organisationsstruktur inklusive dem Wahlprozedere zu reformieren.

Das Führungsgremium der SNB besteht seit der SNB-Gründung 1907 aus einem dreiköpfigen Direktorium. 

Das heute fünfköpfigen erweiterte Direktorium entstand durch die schrittweise interne Aufwertung der Stellvertretung der einzelnen Direktoriumsmitglieder zu einem Gremium mit nicht definierten Kompetenzen - haben die Stellvertreter volles Stimmrecht oder nur Mitspracherecht? 

Ein intern, ohne formelle Prozedur in Bundesrat und Parlament zur Anpassung des SNB-Gesetzes gewachsenes erweitertes Führungsgremium, vermag das strukturelle Defizit im SNB-Organigramm nicht zu kompensieren.

Ein Dreiergremium als Spitze ist zur klein.

Die sprachpolitische Vorgabe von mindestens einem Welschen im Direktorium war seit je nicht einfach zu erfüllen, die dazugekommene genderpolitische Vorgabe von mindestens einer Frau macht die Qual der Wahl zur Quadratur des Kreises.  

Umso mehr, als ein Dreiergremium den zur erfolgreichen Umsetzung des politischen Mandates der SNB auch den genügend breiten Meinungskorridor in kontroversen Fragen der Geldpolitik nicht gewährleisten kann.

Was heisst Preisstabilität unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung? 

Auf diese Frage gibt es viele Antworten, die neoliberale Orthodoxie von Thomas Jordan und seinem Ziehsohn Martin Schlegel ist nur eine davon. 

Geldpolitik ist Interessenpolitik, nicht Wissenschaft! 

Dienstag, 10. September 2024

Nationalbank: Überschüssige Devisenanlagen zur Stärkung des Einlegerschutzes verwenden



Die Bilanzsumme der Nationalbank per Mitte 2024 liegt mit ca. 820 Milliarden Franken leicht höher, als das Bruttoinlandprodukt (BIP) mit ca. 800 Milliarden, also der gesamten Wertschöpfung der Schweizer Wirtschaft per 2023.

Eine weltweite Ausnahmesituation.

In der Eurozone beträgt die Zentralbanken-Bilanzsumme lediglich ca. 40 Prozent des BIP, in den USA ca. 20 Prozent. Massiv höher als das BIP ist nur die Bilanz der Bank of Japan.

Der grösste Posten der aufgeblähten SNB-Bilanz sind die 720 Milliarden Franken Devisenanlagen.

Diese entstanden durch Eurokäufe, welche die SNB seit der Finanzkrise 2008 zur Schwächung des Aufwertungsdruckes auf den Franken tätigte.

Nachdem sich der Aufwertungsdruck ab Mitte 2022 verminderte, macht er sich zurzeit wieder voll bemerkbar.

Gestern, am 9. September 2024 galt der Dollar noch ca. 85 Rappen, der Euro ca. 94 Rappen.

Diese Kursavancen des Frankens zu Euro und Dollar zeigen, dass die Funktion des Schweizerfrankens als sicherer kommerzieller Hafen in Zeiten von Währungs- und Wirtschaftskrieg (noch) intakt ist. Während die politische Neutralität der Schweiz heute in Russland, China und anderswo zunehmend angezweifelt wird, 

Sollte die SNB wieder gezwungen sein, den Frankenkurs mit grösseren Euro- und Dollarkäufen im Interesse von Exportwirtschaft und Tourismus zu schwächen, flankiert noch von einer zweiten Negativzinsrunde, müssten die bereits übermässig aufgeblähten SNB-Devisenanlagen rasch weiterwachsen. Was das Verhältnis der SNB-Bilanzsumme zum BIP in unerwünschte japanische Dimensionen katapultieren würde.

Der Abbau bestehender Devisenanlagen bremst diese unerwünschte Entwicklung und erweitert damit gleichzeitig den Spielraum SNB-Geldpolitik für Euro- und Dollarkäufe zur Schwächung des Aufwertungsdruckes.  

Doch wie sollen die Devisenanlagen abgebaut werden?

Eine Möglichkeit besteht darin, die bestehende Einlagensicherung esisuisse mit einem aus überschüssigen SNB-Devisenanlagen alimentierten Einlegerschutz-Fonds zu stärken.

Esisuisse garantiert als Bankkunden-Kollektivversicherung die sofortige Auszahlung der Bankguthaben von Privatkunden und Firmenkunden bis zu 100'000 Franken im Konkursfall einer Bank, auch wenn das Institut über keine Liquidität mehr verfügt. 

Per Ende 2022 lagen auf den Schweizer Banken rund 500 Milliarden gesicherte Guthaben, davon ca. 290 Milliarden bei den vier systemrelevanten Grossinstituten.

Davon müssen die Banken lediglich 1.6 Prozent oder 7.9 Milliarden hinterlegen, davon die Hälfte in Geld und Wertschriften.

Das reicht wohl für den Crash einzelner kleiner und mittlerer Institute. Kommt es zu einer generalisierten Bankenkrise oder dem Crash eines systemrelevanten Grossinstitutes, ist das Esisuisse-System überfordert. Dann muss der Bundesrat mit Notrecht ran.

Ein mit, sagen wir 360 Milliarden Franken überschüssiger SNB-Devisenanlagen geäufneter Fonds, aufgesetzt als bilanzmässig und rechtlich eigenständige Annex-Anstalt der SNB, könnte auch eine solche Grosskrise verkraften.

Und überdies die Voraussetzung dafür schaffen, damit auch die heute nicht gedeckten Guthaben auf Freizügigkeits- und Säule 3a-Konti zu versichern. Sowie die nötige Erhöhung des versicherten Betrages in die Wege zu leiten.

Ein solcher Fonds läuft auf eine explizite Staatsgarantie für Lohnkonti, Spar- und Vorsorgegelder der breiten Bevölkerung hinaus, ähnlich der impliziten Staatsgarantie für die milliardenschweren, vier systemrelevanten Schweizer Finanzgruppen.

Soweit sogut, doch ist die Vergesellschaftung von 80 Prozent der gegenwärtigen SNB-Devisenanlagen sowohl mit dem Mandat der SNB, als auch mit den Erfordernissen der Geldpolitik  kompatibel?

Ich meine ja.

Was die Mandatskonformität betrifft, erweitert der Abbau von Devisenanlagen zum einen den Spielraum geldpolitischer Devisenmarktinterventionen, was die Wirksamkeit der Inflationsbekämpfung verbessert, und fördert zum anderen die Finanzstabilität durch Stärkung des Einlegerschutzes. Beides liegt im wirtschaftlichen Landesinteresse, dem die SNB verfassungsmässig verpflichtet ist.

Der grösste Teil der SNB-Devisenanlagen dient zur Deckung der Giroeinlagen des Bankensystems bei der SNB in der Höhe von 442 Milliarden Franken.

Wobei diese Giroeinlagen nicht durch Einzahlungen der einzelnen Institute bei der SNB entstanden, sondern durch Einbuchung von selbst geschöpftem Girogeld durch die SNB als Bezahlung für gelieferte Euros.

Das SNB-Girogeld, auch Zentralbankengeld genannt, zirkuliert nicht in der realen Wirtschaft, sondern ausschliesslich zwischen SNB und Banken und Finanzgesellschaften. Wieviel solches Girogeld, auch Zentralbankengeld genannt, das Bankensystem bei der SNB halten soll, oder anders formuliert die optimale Grösse der SNB-Bilanz, ist umstritten.

Nicht umstritten ist hingegen, dass die SNB-Bilanz enorme überschüssige Devisenanlagen enthält, welche den geldpolitischen Spielraum der SNB beschränken, die Frage ist bloss wieviel?

Wohlverstanden, um den Betrag von 360 Milliarden für den hier ventilierten Einlegerschutz-Fonds geht es nicht. 

UBS-Ökonom Maxime Botteron beispielsweise, schätzte den Überschuss der SNB-Devisenanlagen in seiner kürzlich veröffentlichen Studie SNB balance sheet: What is the optimal size? auf 250 Milliarden. Und empfiehlt selbstredend nicht, dieses Geld im Kollektivinteresse zum Einlegerschutz für kleine Bankkundinnen und Kunden zu verwenden, sondern im Kollektivinteresse steigender Gewinnmargen für das private Bankensystem.


Sonntag, 28. April 2024

Nationalbank: Thomas Jordan verlässt ein schwankendes Schiff

Der unerwartete und unerklärte Rücktritt des langjährigen SNB-Präsidenten Thomas Jordan per kommenden September enthüllt eine problembeladene Hinterlassenschaft.

Einseitiges Direktorium

Jordans Direktionskollegen Martin Schlegel und Antoine Martin sind zwei bislang ungeteste Junior-Zentralbanker aus der Theoriefraktion.

Sie verbrachten ihr gesamtes Berufsleben im Elfenbeinturm der neoliberalen Geldpolitik, Schlegel bei der SNB, Martin beim Fed NY..

Doch die Zeiten des Ende der 1990er Jahre von Jordan entwickelten neoliberalen geldpolitischen Konzeptes der SNB ist abgelaufen.

Damit lässt sich das Mandat der SNB, Preisstabilität mit Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung, nicht mehr erfolgreich umsetzen. Die Zeiten haben sich geändert.

Angesagt oder bereits begonnen haben Wirtschaft- und Währungskrieg, Sanktionspolitik und explodierenden Defizite infolge wachsender Kosten für Aufrüstung, Einwanderung, Sozial- und Gesundheitspolitik. 

Ob Schlegel und Martin auch mit den unter solchen geldpolitischen Massnahmen angesagten geldpolitischen Massnahmen, beispielsweise Kapitalverkehrskontrollen umgehen können ist offen.

Gröberes Bilanzproblem 

Er führte die von seinem Vorgänger Philipp Hildebrand bereits während der Eurokrise 2010 eingeführte Politik der Schwächung des Frankens durch Eurokäufe fort.

Die dazu nötigen Eurokäufe gegen selbtsgeschaffenes Zentralbankengeld hat die SNB-Bilanz in astronomische Dimensionen aufgebläht.

Die enormen Devisenreserven auf der Aktivseite produzieren wilde und schädliche Ausschläge in der SNB-Gewinn- und Verlustrechnung, was die erwünschten kontinuierliche Ausschüttungen an Bund und Kantone verunmöglicht.

Jordan hat es versäumt, mit den überschüssigen Devisenreserven einen Staatsfonds zu etablieren, der dieses Problem lösen könnte.

Die durch die technische Abwicklung der Devisenkäufe entstandenen enormen Sichteinlagen der Banken, bedingen jährlich mehrere Milliarden Zinszahlungen an das Bankensystem, die auch nach einigen Kürzungen immer noch auf eine Subventionierung der privaten Banken hinauslaufen.

Jordan hat es versäumt das Problem der überschüssigen Sichteinlagen anzugehen, geschweige denn zu lösen. Obwohl die SNB-Geldpolitik auch mit einem deutlich tieferen Bestand an Zentralbankengeld implementiert werden könnte. 

Isolierte Institution

Als politikferner Techniker der neoliberalen Geldpolitik hat Jordan den Wandel von der Globalisierung zur Deglobalisierung verkannt.

Dieser Wandel erfordert, die Institution näher zur Wirtschaft zu führen und der Kritik zu öffnen. Passiert ist das Gegenteil. Die Frau, die als Diversifikation ins Direktorium kam, wurde wenige Jahre später wieder entlassen. Kritiker sowohl von der Ökologiebewegung, als auch von den Universitäten werden ignoriert, oder von Bankratspräsidentin Barbara Janom Steiner in den Senkel gestellt.

Was tun?

Die SNB braucht eine Person von aussen an der Spitze, einen Fiskalpolitiker mit Flair für Geldpolitik und Geopolitik.

Eine Person, welche die Balance zwischen Preisstabilität und Konjunktur, dem Primär- und Sekundärziel des Mandates halten kann.

Die ein neues geldpolitisches Konzept entwickelt. 

Die Risiken der Staatsverschuldung kennt, und Bund und die Kantone wenn nötig trotzdem finanziert.

Und international nicht zu nahe beim Fed NY agiert, und nicht zu weit von der PBOC.

Montag, 5. Februar 2024

Landesinteresse oder Bankeninteresse: Zur demokratischen Legitimation der SNB-Geldpolitik

Seit Juni 2022 erhöhte die SNB ihren Leitzins in fünf Schritten von -0,75 Prozent auf 1.75 Prozent.

Grund dafür war Bekämpfung des Inflationsdruckes, bzw. die Senkung der Inflationsrate unter 2 Prozent. 

Mittlerweilen ist die Inflation wieder unter zwei Prozent gefallen.

Unsere Geldpolitik brachte die gewünschten Resultate, sagt die SNB, wir konzentrieren uns auf die Preis- und Finanzstabilität.

Ob dieser Inflationsrückgang eine Folge der Zinserhöhungen ist, rsp. ganz oder teilweise auf andere Faktoren zurückgeht und in welchem Mix, ist allerdings eine offene Frage, deren Beantwortung nicht Thomas Jordan und den SNB-Ökonomen überlassen werden darf. 

Die Inflationsrate nach SNB-Definition ist ein makroökonomischer Wert zur Fütterung theoretischer Wirtschaftsmodelle, welcher die Verminderung der Kaufkraft der Bevölkerung durch Preissteigerungen der effektiven Lebenskosten immer weniger widerspiegelt.

Die Geldpolitik der SNB verabsolutiert das Ziel, diesen Wert zwischen O und 2 Prozent zu stabilisieren. Die Erhaltung der realwirtschaftlichen Kaufkraft hat dabei keine Bedeutung. 

Damit schraubt Thomas Jordans aktuelle Geldpolitik am verfassungsmässigen Mandat, wonach die SNB für die Geldwertstabilität unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung im Landesinteresse zuständig ist.

Schraubt er zuviel kommt der Punkt, wo die SNB die ihr zugestandene Unabhängigkeit missbraucht, und die demokratische Legitimation der Geldpolitik flöten geht.

Bankeninteresse

Als Folge der SNB-Leitzinserhöhungen verzeichnen fast alle Schweizer Banken für 2023 eine Steigerung der operativen Ergebnisse.

Hauptgrund dafür ist die infolge Leitzinserhöhungen laufend gestiegene Verzinsung der Girokonten inländischer Banken bei der SNB. Zahlenmässig flossen dadurch etwa 8 bis 9 Milliarden Franken von der SNB zu den Banken. Und bleiben dort, weil das Bankenkartell die Zinserhöhungen nicht an die Sparer weitergibt.

Der Grossteil der Bestände auf den Girokonten inländischer Banken stammt nicht, wie man meinen könnte, aus betriebswirtschaftlich erzielten Erträgen dieser Institute am Finanzmarkt.

Bei diesen Beständen handelt es sich vielmehr um von der SNB aus dem Nichts geschaffenes Zentralbankengeld, das die technische Abwicklung der jahrelangen SNB-Eurokäufe auf die Girokontos bei der SNB spülte.

Trotzdem begann die SNB im vergangenen Jahr erst nach externer Kritik gewissen Sorten von Girogeld die Bezugsberechtigung von Zinsen zu streichen.

Im Schweizer Geldsystem zirkulieren heute sowohl überschüssige Girogelder, die die Banken mästen, als überschüssige Währungsreserven, welche grosse Ertragsschwankungen produzieren.

Beides ist aus Sicht allgemeiner Landesinteressen unerwünscht, doch die SNB schweigt.

Mittwoch, 10. Januar 2024

Der Franken im Weltwährungskrieg ⎯ Zur Geldpolitik der Nationalbank

Wie sagte doch kürzlich Claudio Borio:

"It made me realize that, a lot of the stuff that I had learned at university about monetary policy, and how interest rates were set and so on, was honestly completely wrong. I had to put it out of my mind and start all over again in this new world. And here, it's precisely in this world of monetary policy implementation that one can fully understand the power of central banks comes from."

Borio ist Oxford PhD in Economics, Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und gilt in Zentralbankenreisen als einer der weltweit besten Kenner der Problematik der Umsetzung von geldpolitischen Konzepten in die Wirklichkeit von Weltwirtschaft, Welthandel und Weltfinanz.

Es wäre zu hoffen, dass sich das SNB-Direktorium von Borios Einsicht inspirieren lässt ⎯ Allein mir fehlt der Glaube.

Thomas Jordan, Martin Schlegel und Antoine Martin agieren als neoliberale Techniker der Geldpolitik. Und halten hartnäckig am nunmehr 25jährigen Geldmengenkonzept der SNB fest, in dessen Zentrum eine Inflationsprognose und ein Inflationsziel zwischen 0 und 2 Prozent steht.

Das ist gleich in doppelter Weise überholt. Zum einen gründet dieses Konzept auf, laut Borio komplett falsche Vorstellungen der Wirkungsmechanismen von Geld- und Zinspolitik. Und zum anderen leben wir nicht mehr in der Epoche der dollarzentrierten, globalisierten anglo-amerikanischen Globalisierung, während der das SNB-Geldmengenkonzept entstand.

Kein Wunder häufen sich zurzeit die negativen Auswirkungen der SNB-Geldpolitik. Das SNB- Inflationsziel von 0 bis 2 Prozent verliert für gewöhnlich sterbliche Lohnabhängige zunehmend seine Relevanz, weil damit immer weniger über die individuelle Kaufkraft ausgesagt werden kann.

Gleichzeitig schaden die ca. 10 Milliarden Franken SNB-Subventionen für das Bankensystem im vergangenen Jahr, bei gleichzeitiger Null-Dividende für Bund und Kantone, den wirtschaftlichen Landesinteressen der Schweiz.

Die enorme Bankensubvention, im Fall der UBS zusätzlich zum CS-Schnäppchenpreis, kommt zustande, weil die grossteils zu 1.75 Prozent verzinsten Reserveeinlagen des Bankensystems bei der SNB  nicht aus der Deponierung von selbsterwirtschafteten Gewinnen der jeweiligen Banken bei der SNB resultieren. Vielmehr handelt es sich dabei um von der SNB aus der Luft geschaffene Franken, die im technischen Prozess der einstigen massiven SNB-Eurokäufe entstanden. Diese auf geldpolitischen Entschieden entstandenen, beim privaten Bankensystrem gelandeten Reserveeinlagen hat das SNB-Direktorium nicht rückgebaut. Obwohl das meines Erachtens dringend ansteht.

Auf die Einflussfaktoren Geopolitik, Wirtschafts- und Währungskrieg gehen die Techniker vom SNB-Direktorium in ihren routinemässigen geldpolitischen Lagebeurteilungen jeweils nicht ein. Obwohl diese Faktoren den Frankenkurs stark mitbestimmen.

Den Währungskrieg nicht vergessen, wer flüstert es dem mittlerweilen allmächtig gewordenen SNB-Präsidenten ins Ohr?

Donnerstag, 4. Januar 2024

Credit Suisse: Wer ist schuld am Untergang und welche Lehren müssen gezogen werden?

Der Zusammenbruch der Bank Credit Suisse (CS) ist nicht bloss eine Wirtschaftsaffäre.

Der Bankensektor ist nebst dem Gesundheitssektor der staatlich höchstregulierte Wirtschaftssektor, was den Verlust von Alfred Eschers Kronjuwel des Schweizer Wirtschaftsliberalismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Staatsaffäre macht.

Folglich muss die Schuldfrage sowohl aus der Perspektive des operativen Bankgeschäftes, als auch aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Landesinteressen betrachtet werden.

Betrieblich stürzten die Abzocker aus Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, sowie einige Grossaktionäre die CS in den Abgrund. Mehrheitlich Ausländer, weil die CS bereits zu Beginn der 1990er Jahre zu einer bezüglich Führungspersonal, Arbeitsplätzen und Aktionariat entnationalisierte, vollglobale Grossbank mutierte.

Allein, auch nachdem nur noch Name, Geschichte und ein, wenn auch beträchtliches, so doch dem globalen Investment- und Vermögensverwaltungsgeschäft untergeordnetes Binnengeschäft schweizerisch waren, blieb die Bank rechtlich stets in der Schweiz inkorporiert.

Daraus resultiert die Crash-Mitschuld der vier hiesigen Staatskörperschaften Bundesrat, Parlament, FINMA und Nationalbank, die das Schweizer Bankensystem gemäss Verfassung und Gesetz regulieren, überwachen, kontrollieren und wenn nötig sanktionieren müssen.

Doch statt den Kipppunkt des CS-Zerfalls im Herbst 2022 zu erkennen, was meines Erachtens möglich gewesen wäre, haben diese vier allesamt geschlafen und erst reagiert, als es zu spät war.

Heute waschen sie sich die Hände in Unschuld.

"Die Verantwortung trägt die Führungsriege", sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter im NZZ-Interview (28.12.23), "sie hat die Bank in den Untergang geführt. Das war ein jahrelanger Zerfallsprozess". 

Schuld sind die anderen, eine billigere Selbstabsolution und Rechtfertigung den Ausnahmezustand auszurufen und Notrecht anzuwenden, gibt es für eine Bundesrätin nicht.

Ganz abgesehen davon, dass der Bundesrat auch als Wahlgremium des Direktoriums der Nationalbank, und des Verwaltungsrats der Finanzmarktüberwachung FINMA in der Verantwortung steht.  

Faul ist auch die Selbstabsolution auf der SNB-Webseite: “Die SNB hat ihre Rolle als Kreditgeberin in letzter Instanz vollumfänglich erfüllt. Es hat nie eine Situation gegeben, in der Liquidität beantragt worden ist, und die SNB diese verweigert hätte.”

SNB-Präsident Thomas Jordan muss vorausschauend agieren, nicht warten bis es knallt. Er hätte längst erkennen müssen, dass der jährliche Finanzstabilitätsbericht seiner Ökonomen das Risiko eines CS-Crashs jahrelang nicht adäquat abbildete.

FINMA-Chefin Marlene Amstad, deren Behörde am Pulsschlag des Bankensystems agiert, hätte den CS-Kipppunkt bei der ersten grossen Liquiditätskrise im Herbst 2022 als erste erkennen müssen. Doch auch sie verkannte, was es geschlagen hatte.

Zum Schluss noch ein Wörtchen zu den politischen Versagern im National- und Ständerat, die nach der staatlichen UBS-Rettung in der Finanzkrise 2008 ein völlig unbrauchbares "To-big-to-fail"-Gesetz legiferierten. 

Das war umso schlimmer, als im Nachgang der 2008er Krise der Vorschlag einer völligen juristischen, kapitalmässigen und organisatorischen Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken auf dem Tisch lag.

Ein solches Trennbankengesetz hätte die CS-Geschäftsbank von den Fehlspekulationen und dubiosen Geschäften der CS-Investmentbanker abgeschottet.

Im Parlament eingebracht worden, waren die Trennbanken seinerzeit von den damaligen Nationalräten Corrado Pardini (SP) und Christoph Blocher (SVP) mit einem gleichlautenden Vorstoss. Leider liessen sich die beiden die Trennbanken von ihren jeweiligen Parteigenossen wieder abkaufen.

(Mittlerweilen wurde Pardini sowohl im Nationalrat, als auch in der UNIA-Geschäftsleitung von Tamara Funiciello weggefegt, was meines Erachtens sowohl die Gewerkschaften, als auch die SP schwächte, doch das ist eine andere Geschichte.)

Was sind die Lehren?

Aus bankbetriebswirtschaftlicher Sicht bleibt das Trennbankenprinzip das beste Rezept, den volkswirtschaftlichen Schaden eines allfälligen Crashs des Wasserkopfes UBS zu minimieren. Die UBS-Schweiz, inklusive globale Vermögensverwaltung ist per Gesetz völlig von der UBS-Investmentbank zu trennen.

Aus Sicht der wirtschaftlichen Landesinteressen gilt es die gesetzliche Regulation, Kontrolle, Überwachung inklusive Sanktionsregime im Finanzsektor es als Reaktion auf den CS-Crash strukturell zu stärken.

Doch davor scheinen die vier erwähnten verantwortlichen politischen Körperschaften zurückzuschrecken.

Das Parlament debattiert meines Wissens keinen dringlichen Vorstoss für ein Trennbankensystem.

Während der oberste Geldpolitiker Jordan und die freisinnige Finanzministerin Keller-Sutter unverdrossen im Einklang mit den neoliberalen Dogmen der Trennung von Wirtschaft und Staat sowie der politisch unabhängigen Zentralbank agieren. 

Was umso unverständlicher ist, als sich Finanzminister und Zentralbankchefs anderswo zunehmend annähern. In den USA, im Vereinigten Königreich, in China und Russland sowieso, verschmelzen Geldpolitik und Fiskalpolitik. (Ausnahme von der Regel ist das Euroland als reine Währungsunion ohne Fiskalunion; ist der Hauptgrund, weshalb dem Euro keine gute Zukunft prognostiziert werden kann.)

Der unipolare, Dollar-dominierte, globale Finanzkapitalismus neoliberaler Prägung, der die Weltfinanz seit Mitte der 1980er Jahre dominiert, ist ein Auslaufmodell. Eine multipolare, re-regionalisierte, staats- oder finanzkapitalistisch ausdifferenzierte Weltfinanz steht vor der Tür.

Die Zeichen an der Wand stehen für einen >>Umbruch im Weltfinanzsystem. Doch SNB-Präsident Jordan und Finanzministerin Keller-Sutter sehen das Menetekel nicht.

Das Verhalten der Schweiz in der anstehenden Frage der Behandlung der eingefrorenen Russischen Währungsreserven und Privatvermögen - Rückgabe oder Konfiskation zuhanden der Ukraine - wird zum Lackmustest, ob das auch zukünftig so bleibt.