Donnerstag, 26. September 2024

Thomas Jordans Hinterlassenschaft

Ende Monat geht Nationalbankpräsident Thomas Jordan vorzeitig in Rente.

Der Nationalbank (SNB) hinterlässt er zwei grosse Baustellen, die übergrosse Bilanz und die unzweckmässige Organisationsstruktur.

SNB-Bilanz zu gross

Zur Beurteilung der SNB-Bilanzproblematik ist folgende Vorbemerkung angebracht: Eine Zentralbankenbilanz ist etwas fundamental anderes als eine Bilanz einer privaten Bank gemäss Bankengesetz und Obligationenrecht. 

Als staatliche Zentralbank des Schweizer-Franken-Geldsystems, gehört die SNB Bund und Kantonen. Sie ist verfassungsmässig und gesetzlich befugt, aus dem Nichts Franken-Girogeld zu schöpfen.

Also jene Sorte Geld die, nota bene, nicht in der Realwirtschaft zirkuliert, sondern ausschliesslich im Bankensystem, also zwischen SNB, privaten Aktienbanken und Finanzgesellschaften, schweizerische, plus einige grosse globalisierte.

Geldschöpfung aus dem Nichts praktizierten Thomas Jordan und sein Vorgänger Philipp Hildebrand im Nachgang der Finanzkrise 2008/2009 seit etwa 2010 in grossem Stil. 

Grund dafür war der chronische Kurszerfall des Euro im Vergleich zum Franken. Da steigende Frankenkurse die Produkte der Schweizer Exportindustrie und die Tourismus-Dienstleistungen für Ausländer verteuern, gab die SNB zur Stärkung des hiesigen Wirtschaftswachstums Gegensteuer.

Und kaufte zur Schwächung des Aufwertungsdruckes auf den Franken hunderte von Milliarden Euros, die mit selbstgemachten SNB-Girofranken bezahlt wurden. 

Diese Euros, mittlerweilen auch in andere Weltwährungen konvertiert und in diesen Währungsräumen in Aktien und Obligationen investiert, bilden heute den weitaus grösste Aktivposten der SNB-Bilanz. 

Die selbstgemachen Girofranken mit denen die Euros bezahlt wurden, stehen als Sichteinlagen des Bankensystems als weitaus grösster Passivposten in der SNB-Bilanz.

Diese Politik der Frankenschwächung durch Eurokäufe hat die SNB-Bilanz massiv aufgebläht, sie ist heute ungefähr gleich gross wie das Bruttoinlandsprodukt BIP, der Indikator für die gesamte Wirtschaftstätigkeit in der Schweiz in einem Jahr. 

Das ist, mit Ausnahme Japans einzigartig, und nach weitherum gängiger Ansicht viel zu hoch.

Das Vertrauen in eine Frankenwährung, deren Geldmenge nach jeder Definition in einem grotesken Missverhältnis zur Schweizer Realwirtschaft steht, muss früher oder später verloren gehen.

Der daraus resultierende Frankencrash wäre dann ein historisch beispielloser, gröberer Schock für die bis heute privilegierte Insel der Glückseligen. (Okay, privilegiert sind längst nicht alle, aber die Mehrheit schon.)

Diese Situation führt zur Frage, wie die überschüssigen Devisenbestände und die überschüssigen Sichteinlagen des Bankensystems bei der SNB reduziert werden können.

Dazu nochmals eine Vorbemerkung. Die Sichteinlagen des Bankensystems bestehen aus SNB-Giralgeld, das die SNB-Geldpolitik zwecks Eurokauf aus dem Nichts geschaffen hat, und das als Folge der technischen Umstände des SNB-Eurokaufes auf die SNB-Giralgeldkonten des Bankensystems floss.

Zu diesen technischen Gründe hier soviel, der Kontostand auf den Giralgeldkonten des privaten Bankensystems ist kein relevanter Faktor in dessen gewinnstrebigem Geschäftsmodell. Die dort parkierte Summe widerspiegelt die Technik der SNB-Geldpolitik. 

Sowohl der Abbau der überschüssigen Devisenbestände als auch der Abbau des überschüssigen SNB- Giralgeldes auf den Sichtkonten des Bankensystems sind geldpolitische Massnahmen in der Kompetenz des SNB-Direktoriums.

Dieser Abbau ist überfällig, Thomas Jordan hat dem neuen SNB-Führungstrio eine Hypothek hinterlassen, hier müssen Martin Schlegel, Antoine Martin und Petra Tschudin liefern.

Die SNB-Führung ist unzweckmässig organisiert.

Aus wirtschaftlichem Landesinteresse der Schweiz ist zu hoffen, dass die drei neuen im Direktorium sich ihrer schwierigen Aufgabe gewachsen zeigen 

Was allerdings nicht verschwiegen werden darf, der Selektionsprozess, der zu dieser Zusammensetzung führte war unbefriedigend.

Jordan hat seinen Ziehsohn ins Präsidium gehievt, in der US-amerikanischen Zentralbank einen hierzulande unbekannten Quotenwelschen aufgestöbert, und eine Quotenfrau aus dem erweiterten Direktorium ins Direktorium befördert.

Wieviel dabei der Bundesrat als Wahlbehörde und der Bankrat als Aufsichtsbehörde mitreden durften blieb schleierhaft.

All das, weil es Thomas Jordan in seinen 12 Jahren Präsidentschaft versäumte, die längst nicht mehr zweckmässige SNB-Organisationsstruktur inklusive dem Wahlprozedere zu reformieren.

Das Führungsgremium der SNB besteht seit der SNB-Gründung 1907 aus einem dreiköpfigen Direktorium. 

Das heute fünfköpfigen erweiterte Direktorium entstand durch die schrittweise interne Aufwertung der Stellvertretung der einzelnen Direktoriumsmitglieder zu einem Gremium mit nicht definierten Kompetenzen - haben die Stellvertreter volles Stimmrecht oder nur Mitspracherecht? 

Ein intern, ohne formelle Prozedur in Bundesrat und Parlament zur Anpassung des SNB-Gesetzes gewachsenes erweitertes Führungsgremium, vermag das strukturelle Defizit im SNB-Organigramm nicht zu kompensieren.

Ein Dreiergremium als Spitze ist zur klein.

Die sprachpolitische Vorgabe von mindestens einem Welschen im Direktorium war seit je nicht einfach zu erfüllen, die dazugekommene genderpolitische Vorgabe von mindestens einer Frau macht die Qual der Wahl zur Quadratur des Kreises.  

Umso mehr, als ein Dreiergremium den zur erfolgreichen Umsetzung des politischen Mandates der SNB auch den genügend breiten Meinungskorridor in kontroversen Fragen der Geldpolitik nicht gewährleisten kann.

Was heisst Preisstabilität unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung? 

Auf diese Frage gibt es viele Antworten, die neoliberale Orthodoxie von Thomas Jordan und seinem Ziehsohn Martin Schlegel ist nur eine davon. 

Geldpolitik ist Interessenpolitik, nicht Wissenschaft! 

Dienstag, 10. September 2024

Nationalbank: Überschüssige Devisenanlagen zur Stärkung des Einlegerschutzes verwenden



Die Bilanzsumme der Nationalbank per Mitte 2024 liegt mit ca. 820 Milliarden Franken leicht höher, als das Bruttoinlandprodukt (BIP) mit ca. 800 Milliarden, also der gesamten Wertschöpfung der Schweizer Wirtschaft per 2023.

Eine weltweite Ausnahmesituation.

In der Eurozone beträgt die Zentralbanken-Bilanzsumme lediglich ca. 40 Prozent des BIP, in den USA ca. 20 Prozent. Massiv höher als das BIP ist nur die Bilanz der Bank of Japan.

Der grösste Posten der aufgeblähten SNB-Bilanz sind die 720 Milliarden Franken Devisenanlagen.

Diese entstanden durch Eurokäufe, welche die SNB seit der Finanzkrise 2008 zur Schwächung des Aufwertungsdruckes auf den Franken tätigte.

Nachdem sich der Aufwertungsdruck ab Mitte 2022 verminderte, macht er sich zurzeit wieder voll bemerkbar.

Gestern, am 9. September 2024 galt der Dollar noch ca. 85 Rappen, der Euro ca. 94 Rappen.

Diese Kursavancen des Frankens zu Euro und Dollar zeigen, dass die Funktion des Schweizerfrankens als sicherer kommerzieller Hafen in Zeiten von Währungs- und Wirtschaftskrieg (noch) intakt ist. Während die politische Neutralität der Schweiz heute in Russland, China und anderswo zunehmend angezweifelt wird, 

Sollte die SNB wieder gezwungen sein, den Frankenkurs mit grösseren Euro- und Dollarkäufen im Interesse von Exportwirtschaft und Tourismus zu schwächen, flankiert noch von einer zweiten Negativzinsrunde, müssten die bereits übermässig aufgeblähten SNB-Devisenanlagen rasch weiterwachsen. Was das Verhältnis der SNB-Bilanzsumme zum BIP in unerwünschte japanische Dimensionen katapultieren würde.

Der Abbau bestehender Devisenanlagen bremst diese unerwünschte Entwicklung und erweitert damit gleichzeitig den Spielraum SNB-Geldpolitik für Euro- und Dollarkäufe zur Schwächung des Aufwertungsdruckes.  

Doch wie sollen die Devisenanlagen abgebaut werden?

Eine Möglichkeit besteht darin, die bestehende Einlagensicherung esisuisse mit einem aus überschüssigen SNB-Devisenanlagen alimentierten Einlegerschutz-Fonds zu stärken.

Esisuisse garantiert als Bankkunden-Kollektivversicherung die sofortige Auszahlung der Bankguthaben von Privatkunden und Firmenkunden bis zu 100'000 Franken im Konkursfall einer Bank, auch wenn das Institut über keine Liquidität mehr verfügt. 

Per Ende 2022 lagen auf den Schweizer Banken rund 500 Milliarden gesicherte Guthaben, davon ca. 290 Milliarden bei den vier systemrelevanten Grossinstituten.

Davon müssen die Banken lediglich 1.6 Prozent oder 7.9 Milliarden hinterlegen, davon die Hälfte in Geld und Wertschriften.

Das reicht wohl für den Crash einzelner kleiner und mittlerer Institute. Kommt es zu einer generalisierten Bankenkrise oder dem Crash eines systemrelevanten Grossinstitutes, ist das Esisuisse-System überfordert. Dann muss der Bundesrat mit Notrecht ran.

Ein mit, sagen wir 360 Milliarden Franken überschüssiger SNB-Devisenanlagen geäufneter Fonds, aufgesetzt als bilanzmässig und rechtlich eigenständige Annex-Anstalt der SNB, könnte auch eine solche Grosskrise verkraften.

Und überdies die Voraussetzung dafür schaffen, damit auch die heute nicht gedeckten Guthaben auf Freizügigkeits- und Säule 3a-Konti zu versichern. Sowie die nötige Erhöhung des versicherten Betrages in die Wege zu leiten.

Ein solcher Fonds läuft auf eine explizite Staatsgarantie für Lohnkonti, Spar- und Vorsorgegelder der breiten Bevölkerung hinaus, ähnlich der impliziten Staatsgarantie für die milliardenschweren, vier systemrelevanten Schweizer Finanzgruppen.

Soweit sogut, doch ist die Vergesellschaftung von 80 Prozent der gegenwärtigen SNB-Devisenanlagen sowohl mit dem Mandat der SNB, als auch mit den Erfordernissen der Geldpolitik  kompatibel?

Ich meine ja.

Was die Mandatskonformität betrifft, erweitert der Abbau von Devisenanlagen zum einen den Spielraum geldpolitischer Devisenmarktinterventionen, was die Wirksamkeit der Inflationsbekämpfung verbessert, und fördert zum anderen die Finanzstabilität durch Stärkung des Einlegerschutzes. Beides liegt im wirtschaftlichen Landesinteresse, dem die SNB verfassungsmässig verpflichtet ist.

Der grösste Teil der SNB-Devisenanlagen dient zur Deckung der Giroeinlagen des Bankensystems bei der SNB in der Höhe von 442 Milliarden Franken.

Wobei diese Giroeinlagen nicht durch Einzahlungen der einzelnen Institute bei der SNB entstanden, sondern durch Einbuchung von selbst geschöpftem Girogeld durch die SNB als Bezahlung für gelieferte Euros.

Das SNB-Girogeld, auch Zentralbankengeld genannt, zirkuliert nicht in der realen Wirtschaft, sondern ausschliesslich zwischen SNB und Banken und Finanzgesellschaften. Wieviel solches Girogeld, auch Zentralbankengeld genannt, das Bankensystem bei der SNB halten soll, oder anders formuliert die optimale Grösse der SNB-Bilanz, ist umstritten.

Nicht umstritten ist hingegen, dass die SNB-Bilanz enorme überschüssige Devisenanlagen enthält, welche den geldpolitischen Spielraum der SNB beschränken, die Frage ist bloss wieviel?

Wohlverstanden, um den Betrag von 360 Milliarden für den hier ventilierten Einlegerschutz-Fonds geht es nicht. 

UBS-Ökonom Maxime Botteron beispielsweise, schätzte den Überschuss der SNB-Devisenanlagen in seiner kürzlich veröffentlichen Studie SNB balance sheet: What is the optimal size? auf 250 Milliarden. Und empfiehlt selbstredend nicht, dieses Geld im Kollektivinteresse zum Einlegerschutz für kleine Bankkundinnen und Kunden zu verwenden, sondern im Kollektivinteresse steigender Gewinnmargen für das private Bankensystem.