Dienstag, 29. März 2016

Von Kant lernen heisst debattieren lernen - Fragen zum Neukantianismus des NZZ-Feuilletonchefs René Scheu

Am Ostersamstag verkündete der neue NZZ-Feuilletonchef René Scheu die neue Generallinie des von ihm geführten redaktionellen Ressorts.

Demnach soll sich das NZZ-Feuilleton an den Einsichten des deutschen Philosophen Immanuel Kant inspirieren.

Laut Scheu ersann Kant "die wohl grossartigste nichtreligiöse Utopie der Moderne: eine Selbstzivilisierung des Menschen durch vernunftbasierte Rückkoppelung im Raum des Sprechens".

Das zweihundertjährige Kant'sche Diktum: «Wenn denn nun gefragt wird, Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? So ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung» hält Scheu für zeitlos. Heute so gültig wie damals und morgen: "Immer wieder. Im besten Fall."

Die permanente Aufklärung der Verhältnisse durch Vernunft und Rationalität.

Abzuwarten bleibt, wie das neukantianische Feuilleton bei den neokonservativen Straussianern von der Auslandredaktion ankommt, oder bei den neoliberalen Hayekianern von der Wirtschaftsredaktion?

Montag, 21. März 2016

Der Konstruktionsfehler von Vollgeld und bedingungslosem Grundeinkommen: Monetarismus

Die Abstimmungen über das bedingungslose Grundeinkommen und die Vollgeldinitiative stehen vor der Tür.

Beide Forderungen klingen nicht nur für Linke süss: Ein monatliches Grundeinkommen von 2500 Franken pro Erwachsener und 625 Franken pro Kind, ohne Fragen bar auf die Hand. Und die Einführung eines neuen Geldsystems das die Nationalbank stärkt, das Finanzsystem stabilisiert und die Bankenmacht schwächt.

Ob diese Ziele mit den vorgeschlagenen Mitteln auch erreicht werden können, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Ich denke nein. Weder bringt ein Vollgeldsystem ein signifikant stabileres Finanzsystem. Noch verbessert die monatliche bedingungslose Zahlung von 2500 pro Nase die soziale Grundsicherung der Schweizer Bevölkerung.

Dies aus vielen Gründen. Einen davon möchte ich hier erwähnen.

Beide Initiativen setzen den Hebel zur Erreichung ihres Zieles in der Kapitalzirkulation beim Geld an. Doch systemische wirtschaftspoltische Ziele wie ein universales Grundeinkommen oder die Finanzstabilität lassen sich mit rein geldbasierten Massnahmen nicht erreichen.

Dies weil Geld keine sicherere und stabile Grösse ist. Im Gegenteil. Geld ist flüssig wie Wasser.  So können die versprochenen 2500 Franken kaufkraftmässig über Nacht auf die Hälfte schrumpfen. Und Vollgeld entschärft das immer noch explosive Too-big-to-fail-Problem nicht.

Widerstandsfähige soziale Sicherheitssysteme und verlässliche Finanzstabilität brauchen einem politischen Anker. Soziale Sicherheit benötigt einen politisch legitimierten Sozialvertrag, der nicht nur auf einem Geldbetrag basiert, sondern auf einer konkret formulierten Beziehung mit einer realexistierenden Institution. Und Finanzstabilität ohne gezielte bankgesetzliche Staatseingriffe ins Bankensystem gibt es auch im Vollgeldsystem nicht.

Samstag, 5. März 2016

Trepp for Trump - Gegen die Vulgarisierung medialer Diskurse

Trepp for Trump hat einer getwittert. 

Das ist eine groteske Verzerrung meiner Ansichten zum US-amerikanischen Wahlkampf. Trepp for Bernie Sanders wäre richtig.

Seinen Tweet hat der Mann als Antwort auf einen Tweet meinerseits abgesetzt, mit einem anzüglichen Sexbomben-Bild von Trumps Ehefrau Melania und dem Text: Future First Lady of the United States of America.


Ein anderer Follower hat mich besser verstanden und folgendermassen kommentiert: Ha! Nippel-Alarm bei den Demokraten


Ja und? Was soll der Schwachsinn? 

Nun, ich sehe diese an sich harmlose Episode im Kontext der grassierenden Vulgarisierung medialer Diskurse. Eine bedauerliche Entwicklung, von der ich mein Blogging durchaus nicht ausnehmen kann. 

Subjektiv, konfrontativ, personifiziert und eindimensional gibt mehr Clicks.

Geldpolitik gähn, 150 Clicks. 😕😕😴😴💤💤 .  Eric Gujer zack bum, 1500 Clicks, 😡😡👊👊💥💥 .

Besser argumentieren als schärfer vulgarisieren, ich schreibs mir hinter die Ohren.

Mittwoch, 2. März 2016

Macht ein Brexit den Franken härter oder weicher?

Ich meine härter.

Der Austritt von Britannien aus der EU hätte eine Repositionierung der Londoner City im globalen Finanzsystem zur Folge. Vieles würde neu aufgemischt.

In der EU wäre wachsende Rivalität von Paris und Frankfurt als EU-Finanzzentrum angesagt. Die neuen BRICS-Institutionen, sprich die Rolle des Renminbi als internationales Zahlungsmittel anstelle des Dollars, dürften gestärkt werden. Was umgekehrt die anglo-amerikanisch dominierten, globalisierten Finanzmärkte schwächt, die seit Beginn der 1980er Jahre entstanden sind.

Stark beeinflusst vom Brexit wäre auch die Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes mit seiner Frankenwährung. Was den Franken betrifft, so deutet vieles auf eine steigende Bedetung und damit auf steigenden Aufwertungsdruck.

Zum einen schwächt ein Brexit den Euro, auch wenn Britannien bekanntlich nicht Mitglied der Eurozone ist. Und zum anderen dürfte Brexit das Pfund, zumindest anfänglich, eher schwächen. Weil die City ihre politische und wirtschaftliche Verankerung im EU-Europa verliert, ohne die sie ihren Status als Megadrehscheibe des globalisierten, anglo-amerikanischen Finanzsystems nicht halten kann.

Im Juni stimmen die Bürgerinnen und Bürger Britanniens über Austritt oder Verbleib in der EU ab. Hütet euch am Brexit, Nationalbanker, packt die Kapitalverkehrskontrollen aus.