Sonntag, 21. September 2025

Braucht die Schweiz CHF-Stablecoins, und wenn ja, wer soll die Token emittieren?

CHF-Stablecoins sind von privaten Emittenten geschaffene digitale Darstellungen (Englisch Token) des Frankens, deren Transaktionen auf einer Blockchain dokumentiert sind.

Solche private Digitalgeld-Token können auf programmierbaren Plattformen zur Echtzeit-Bezahlung verwendet werden, ohne dass Bankkonti, Debit- und Kreditkarten oder Bezahlapps wie Twint etc. nötig sind.

Stable (Deutsch stabil) heissen sie, weil jeder Token 1:1 in Wertpapieren, z.B. Staatsschuldverschreibungen, unterlegt sein muss. Was die für Bitcoin charakteristischen hohen  Wertschwankungen stark reduziert.

Das Potential dieser Token ist enorm, in genügender Liquidität auf stabilen Systemen vorhanden, könnten sie sich als neue Geldsorte im Mainstream-Zahlungsverkehr etablieren.

Aktuell sind vier CHF-Stablecoins erkennbar.

DCHF von Sygnum Bank, Zürich. XCHF von Bitcoin Suisse, Zug. VCHF von VNX Commodities, Vaduz. Und CCHF von Centi, Zürich.

Alles kleine Fische mit begrenzter Liquidität und beschränktem Bekanntschaftgsgrad. FINMA-reguliert und sicher gedeckt sind nur die DCHF von der führenden Schweizer Krypto-Bank Sygnum.

Dieser Zustand ist die Folge der engmaschigen Regelung der Stablecoins durch die FINMA.

SNB plant keine CHF-Stablecoins

Die SNB positioniert sich, anders als andere Zentralbanken wie die PBoC oder die EZB deutlich gegen die Emission eines Digitalfrankens auf Blockchain-Basis, was einen CHF-Stablecoin überflüssig machen würde.

Das SNB-Direktorium will das Schweizer Finanzsystem anders tokenisieren. Angestrebt wird ein System auf der Linie von Hyung Song Shin, dem volkswirtschaftlichen Berater und Leiter der BIZ-Währungs- und Wirtschaftsabteilung, dessen Überlegungen die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZim Jahresbericht 2015 veröffentlichte.

Als Basis des Weltwährungs- und Finanzsystems der nächsten Generation empfiehlt Song Shin einen tokenisierten Unified Ledger auf Basis von Blockchaintechnologie.

Ein einheitliches Journal-Hauptbuch aller Transaktionen in der "Trilogie" tokenisierte Zentralbankreserventokenisiertes Geschäftsbankengeld und tokenisierte Staatsanleihen. Damit bleiben laut Shin die Kernelemente eines staatlichen (Papiergeld)Währungssystems erhalten, das auf dem Vertrauen in das Zentralbankgeld basiert.

Die Tokenisierung von Einlagen und Zentralbankgeld bedeutet, dass sowohl das primäre Zahlungsmittel als auch die Abrechnung auf Grundlage von Zentralbankgeld nahtlos auf derselben programmierbaren Plattform integriert werden können. Die Tokenisierung hat das Potenzial, die Wertpapiermärkte zu transformieren, und ihre Anwendung im Korrespondenzbankengeschäft ist besonders vielversprechend.

Im Song-Shin-Modell müssen die Geschäftsbanken das Geld, das sie durch Kreditgewährung selbst geschaffen haben, ebenfalls tokenisieren. Damit können sie ihrer Kundschaft im Zahlungsverkehr dieselben Vorteile anbieten, die Stablecoins haben.

Davon inspiriert, und auch aus Angst vor dem drohenden Verlusten durch Konkurrentin Stablecoin, führten UBS, Sygnum Bank und Postfinance kürzlich eine erfolgreiche Machbarkeitsstudie mit einem Swiss Bank Deposit Token durch. 

Solche Swiss-Bank-Deposit-Tokens würden, anders als Stablecoin-Token, unter das bestehende Bankenrecht fallen und gleichzeitig alle Vorteile des Digitalgeldes bieten. So könnten die Banken verhindern, dass die Kunden ihre Gelder bei ihnen abziehen.

Von Nichtbanken emittierte Stablecoins spielen im Song-Shin-Modell, gleich wie Bitcoin, nur eine untergeordnete Rolle am Rande des Finanzsystems. 

Untergeordnet, weil privat emittierte Stablecoin-Token laut Song-Shin die drei unabdingbaren Erfordernisse an ein universal einsetzbares Zahlungsmittel nur unzureichend erfüllt: nämlich Homogenität, Elastizität und Integrität.

Homogen sind Stablecoins nicht, weil die verschiedenen Emittenten unterschiedlich vertrauenserweckend sind. Will heissen, jemand akzeptiert DCHF-Token von Sygnum Banklehnt jedoch XCHF-Token von Bitcoin Suisse ab, weil er dieser Firma nicht traut, also das Risiko als zu hoch einschätzt, seine Token durch deren Konkurs zu verlieren.

Elastisch sind sie nicht, weil nicht gesichert ist, dass, ein bestimmter Token durch äussere geopolitische oder technische Faktoren immobilisiert wird, und damit im Zahlungsverkehr nicht einsatzfähig ist. 

Und integer sind sie nicht, weil Finanzkriminelle mit Stablecoins neue Möglichkeiten für Betrügereien bekommen.


US$-Stablecoins vor dem Take-Off

Die Gesamtsumme aller US$-Stablecoins wird auf 250-300 Milliarden geschätzt, grösster Token ist Tether (USDT) mit geschätzten 170 Milliarden US$. Das von den italienischen Milliardären Giancarlo Devasini und Paolo Ardoino aus Lugano aufgebaute Konstrukt mit rechtlicher Inkorporierung in der Karibik und Hongkong, und operativem Hauptsitz in San Salvador, pflegt enge Beziehungen zur Stadtregierung von Lugano und zu Tessiner Bildungsinstituten.

Nachdem die USA die Standards für US$-Stablecoins im Genius Act gesetzlich definierten, und die Trump-Familie gross im Stablecoin-Geschäft eingestiegen ist, dürfte das Gesamtvolumen der US$-Stablecoins rasch ansteigen.

Jede Zahlung mit Stablecoins ist eine weniger via Bankkonti, Karte oder Bezahlapp. Sollte das von der Trump-Administration angestrebte Stablecoin-Mainstreaming sich tatsächlich realisieren, müssten die Wall-Street-Grossbanken ihre Dominanz im Zahlungsverkehr verlieren.

Was einer Machtverschiebung von der traditionell Demokratischen Wall-Street-Grossbanken zur Kryptogeld-Fraktion (Lutnick, Sacks, Bessent) brächte, die mit Trumps Republikanischer MAGA-Bewegung ein Bündnis eingegangen ist. 


Braucht die Schweiz einen CHF-Stablecoin?

Der Franken ist seit hundert Jahren eine wenn auch kleine, so doch anerkannte Hartwährung im globalen Devisengeschäft. Und erfüllt, wenn auch in geringem Mass, die Rolle eines Zahlungsmittels für Transaktionen, welche die Schweiz nicht berühren.

Der globale Wirtschaftskrieg liess die Nachfrage nach  Zahlungsmitteln mit reduziertem Konfiskationsrisiko durch den Feind wachsen, was Nachfrage nach CHF-Stablecoins schafft.

 Allerdings nur, wenn die Schweiz ihre Neutralität wiederbelebt, und darauf verzichtet, die eingefrorenen Russengelder definitiv zu beschlagnahmen und in die Ukraine zu überweisen.

Wie in der NZZ (16.9) zu lesen war, soll noch diesen Herbst eine Stablecoin-Vorlage in die Vernehmlassung geschickt werden, die im Wesentlichen dem Genius Act entspricht. 

Sollte das zutreffen, lachen die Tether-Lobbyisten. Der Genius Act verschenkt den Gewinn (Seigniorage) aus der Emission der neuen Geldsorte Stablecoin an private Finanzgesellschaftern.

Devasini und Ardoino stehen in den Startlöchern zur Schaffung eines CHF-Stablecoins. Das diesjährige Forum B von Tether von Ende Oktober in Lugano versammelt neben Stadtpräsident Michele Foletti Topshots der US-Stablecoinszehne wie den Sohn von Trumps Finanzminister Brandon Lutnick, den Gründer und CEO von Rumble Chris Pavlovski und die Botschafterin El Salvadors in den USA Milena Mayorga. Der Tether-Hauptsitz wurde unlängst nach San Salvador verlegt. 

Die Schweiz braucht einen SNB-Stablecoin

Meines Erachtens sind CHF-Stablecoins aus volkswirtschaftlicher Sicht zu begrüssen, aber nicht von Devasini und Ardoino emittierte.

Das Risiko ist zu gross, dass ein gewinnstrebiger Emittent  die geldpolitischen Aspekte von Stablecoins ignoriert, und durch durch Ausgabe allzuvieler Token den unerwünschten Aufwertungsdruck auf den Franken noch verstärkt.

Die nicht gewinnstrebige SNB ist besser geeignet, des optimalen Volumen von CHF-Stablecoins zu definieren.

Ganz abgesehen davon, dass die Seigniorage aus der Emission der neuen Geldsorte der Nationalbank zugewiesen werden sollte, nicht Milliardären, die ein wenig transparentes Unternehmen mit italo-salvadorenisch-amerikanischem Hintergrund steuern. 

Nein, eine lasche CHF-Stablecoin-Regulation à la Trumpscher Genius Act liegt nicht im wirtschaftlichen Landesinteresse der Schweiz. 

Es bleibt zu hoffen, dass Sindaco Foletti und die in Bern oben, den Schalmeienklängen von Devasini und Ardoino nicht erliegen.