Mit seinen zwei neuesten Titelgeschichten profiliert sich das einflussreiche Londoner Wochenmagazin "The Economist" als feuriger Kriegstreiber in Syrien. Und als Totengräber des geopolitischen Begriffes "Der Westen" obendrein.
"Hit him hard" titelte der "Economist" vergangene Woche, unterlegt mit einem Bild des syrischen Präsidenten Bashar al-Asad. Tja - Mir hat diese anonyme journalistische Gewaltorgie den Magen gekehrt, und mich daran erinnert, wie freudig dieses Blatt 1973 den Pinochet-Putsch in Chile begrüsste.
Der "Economist" muss man wissen, publiziert seine Artikel ohne Autorenzeile anonym. Eigner sind je hälftig die britisch-französische Rothschild Finanzgruppe und der britische Medienkonzern Pearson via Financial Times.
Das Londoner Magazin fordert einen raschen und entschlossenen Militärschlag gegen die Fraktion von Bashar al-Asad im Syrischen Bürgerkrieg. Gleich wie die US-amerikanischen Neokonservativen Elliott Abrams, Robert Kagan, Joe Liebermann, Douglas J. Feith, u.a., und die europäischen Bellizisten à la Bernhard-Henry Levy, Niall Ferguson, u.a.
"Fight this war, not the last one" neben einem Obama-Bild, damit drängte der "Economist" nun gestern den bislang zögernden US-amerikanischen Präsidenten zum Krieg.
Die anonymen Magazin-Redakteure wissen, dass der (vielleicht) kommende Syrienkrieg weltpolitisch etwas Neues ist. Die US-Bevölkerung lehnt einen neuen Krieg gemäss Umfragen mehrheitlich ab, die Niederlagen im Irak, in Afghanistan und gegen al-Kaida sind noch nicht verdaut. Gegen eine strategisch konzeptlose Strafaktion, gar nicht zu sprechen gegen eine weitere US-Bodenoffensive im Nahen Osten, sind auch wichtige Generäle im Pentagon.
2001 fanden die von den USA ausgerufenen Kriege gegen den Terrorismus und gegen Afghanistan weltweit volle Unterstützung. 2003 konnte sich der Irakkrieg bei aller Ablehnung, nicht zuletzt als Folge zahlreicher Lügen über den Irak, noch immer auf eine verhältnismässig breite Koalition stützen. Während ein zögernder Präsident Obama heute nur noch zuschlagen will, falls er die bislang nicht garantierte Untersütztung vom Kongress bekommt.
Die G-20-Konferenz in St. Petersburg hat gezeigt, wie tief die wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt in der Syrienfrage gespalten sind. Die erhoffte Zustimmung zum Militärschlag gegen al-Asad frand Obama nicht. Angela Merkel und die EU liessen ihn abblitzen, Russland China, Brasilien, Indien, Indonesien, Mexiko, Argentinien und Südafrika sowieso.
Als Trostpreis bekam Präsident Obama lediglich eine Erklärung, die Bashar al-Asad für den Giftgaseinsatz verantworlich macht. (Während der Russische Präsident Putin sagt, das Giftgas hätten die Rebellen eingesetzt, um die US-Intervention zu provozieren.) Die Obama-Giftgas-Erklärung wurde von Britannien, Australien, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, Südkorea, Türkei und Saudi Arabien unterzeichnet. Von diesen zehn Staaten befürworten jedoch bloss Frankreich, die Türkei und Saudi Arabien den vollen Militärschlag. Britannien und Italien schliessen eine militärische Intervention aus, die anderen lavieren. (Einen Tag nach Abschluss der G-20-Konferenz liess der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle verlauten, vielleicht unterschreibe er die Erklärung noch im Nachhinein.)
Der geplante Militärschlag gegen die al-Asad-Fraktion im Syrischen Bürgerkrieg könnte sich als letzter Nagel im Sarg des alten geopolitischen Begriffes "Der Westen" erweisen. Der, nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, das unter US-amerikanischer Führung stehende Bündnis definierte, welches gegen den Sowjetisch geführten Ostblock stand.
Der Untergang der Sowjetunion war 1991 auch der Tod des Ostblocks. Der Westen, auf der ökonomischen Basis des neoliberalen, anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus globalisierte sich. Vom Ende der Geschichte sprach damals der US-amerikanische Hegelianer Francis Fukuyama. Allein - So wie der Dialektiker Hegel davon ausging, das jeder Begriff sein Gegenteil in sich trägt, ist dem Hegemon von 1991 mittlerweilen eine mächtige Gegenkraft erwachsen, die man - igitt, igitt - neosozialistischer, sino-russo-islamischer Staatskapitalismus nennen könnte. Entlang dieser ökonomischen Bruchlinie verläuft jedenfalls der G-20-Bruch in der Syrienfrage, mal abgesehen von den Sonderfällen Saudi Arabien und Türkei.
Die Zukunft kennen wir glücklicherweise nicht. Doch deutet einiges darauf hin, dass die Entwicklungen in Syrien der Welt nicht nur, wie vom "Economist" prognostiziert, eine neue Art des Krieges bringen, sondern auch zum Grab der alten geopolitischen Kategorien "des Westens" und der "internationalen Gemeinschaft" werden.
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