Mittwoch, 28. Mai 2014

Führte Heideggers seinsgeschichtlicher Antisemitismus nach Auschwitz?

Als Personalie ist die Affäre im "Literaturclub" des Schweizer Fernsehens ein Sturm im Wasserglas.

Inhaltlich hingegen, ist der Zoff zwischen dem geschassten Sendungsmoderator Stefan Zweifel und der streitbaren deutschen Buchfrau Elke Heidenreich von Bedeutung.

Um die inhaltliche Relevanz zu verstehen, genügt die Lektüre der 120 Seiten des Taschenbuches "Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung" von Peter Trawny, dem Herausgeber von Heideggers Werken. Die Gesamtlektüre der sogenannten "Schwarzen Hefte", in denen sich bislang unbekannte judenfeindliche Äusserungen Heideggers finden sind, ist nicht nötig. Geschweige denn das Lesen von "Sein und Zeit", dem Hauptwerk des Deutschen Philosophen - hab ich vor Jahren mal versucht und bin daran gescheitert.

Das von Zweifel inkrimininerte Heidegger-Zitat Heidenreichs kombiniert einzelne philosophische Begriffe aus der Heideggerschen Terminologie, mit Teilen Heideggerscher Originalsätze und einer eigenen Interpretation des selbstgeschaffenen Sprachgebildes.

Das ist etwas ganz Anderes, als die in wissenschaftlichen und journalistischen Texten gängige Zitiermethode, wonach wörtlich unverändet übernommene Sätze durch Anfangs- und Schlusszeichen kenntlich gemacht werden müssen.

Heidenreichs Satz "Die verborgene Deutschheit müssen wir entbergen, und das tun wir, indem wir die Juden endlich beseitigen aus Deutschland" ist in den in den "Schwarzen Heften" nicht zu finden, sagen unisono die Experten. Entgegen Heidenreichs dreimaligen trotzigen "doch" im Literaturclub. Und entgegen den umständlichen Erklärungen zu der ihr eigenen speziellen Zitierweise, mit denen sie sich nachher im Tages-Anzeiger aus der Affäre zu ziehen versuchte. (27.5.14)

Heidenreich hat falsch zitiert, das schleckt keine Geiss weg. "Da tar me nöd", aber die formale Kritik ist nicht des Pudels Kern.

Ihr selbstgebasteltes Satzgebilde suggeriert, die von Trawny als seinsgeschichtlicher Antisemitismus bezeichnete Denkart Heideggers führe nach Auschwitz.

Allein - Endet jede verbale Diffamierung des Judentums im Holokaust?

Diese Frage beantwortet Heidenreich implizit mit Ja. Trawny hält die Annahme für problematisch. Jetzt braucht es nur noch jemanden der Nein dazu sagt, und die Runde zum nächsten TV-Talk im Leutschenbach ist perfekt.

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