Einer der sagt «Wir sind ordoliberal. Sie könnten auch neoliberal sagen.» wie Eric Gujer im Interview mit dem Tages-Anzeiger nach seiner Wahl zum NZZ-Chefredaktor, hat nichts vom Liberalismus begriffen. Oder macht sich als Hardcore-Neokonservativer über liberale Tussis lustig.
Ich habe Ende der Sechzigerjahre an der Uni Zürich Vorlesungen und Seminare von Friedrich Lutz besucht. Der war ein ordoliberaler Ökonom. Anders als sein Lehrer Walter Eucken, der während des Dritten Reiches an der Uni Freiburg im Breisgau in Amt und Würden verblieb, emigrierte Lutz in die USA und kam Anfang der 1950er Jahre nach Zürich.
Unvergessen blieb mir, wie Lutz uns damals die seiner Meinung nach verfehlte Politik des Reichskanzlers Heinrich Brüning schilderte, die er persönlich miterlebte. Brüning versuchte 1930 die beginnende Weltwirtschaftskrise mit einem dramatisch gescheiterten, scharfen Sparprogramm zu Bekämpfen. (Ähnlich dem Austerityprogramm, das seine Amtsnachfolgerin Angela Merkel heute den Griechen aufzwingt, doch das ist eine andere Geschichte.)
Der Ordoliberale Lutz hat Brüning kritisiert, weil er dagegen war, dass sich der Staat in der Krise aus der Wirtschaft zurückzieht, und das Feld dem Wettbewerbsprinzip im Sinne des Rechts des Stärkeren überlässt. Ordoliberale wie Friedrich Lutz, Walter Eucken oder Franz Böhm verstanden den Wettbewerb als Leistungswettbewerb von Gleichberechtigten, nicht als Vernichtungskrieg des Stärkeren gegen den Schwächern. Eine solche Art von Wettbewerb - Vorbild war die antike Olypmiade - braucht Staat als Regulator. Der Kern des Ordoliberalismus ist die Vorstellung, dass der Wettbewerb nur mit staatlichen Leitplanken gut ist. Der Ordoliberalismus entstand, was heute weitgehend vergessen ist, Ende der 1930er Jahre an der Uni Freiburg im Breisgau als wettbewerblich-liberales Korrektiv der nationalsozialistischen Plan- und Kartellwirtschaft.
Der Kern des Neoliberalismus ist gerade das Umgekehrte vom Ordoliberalismus, nämlich ein ungebrochener Glaube an den freien Wettbewerb: Friedrich A. Hayek, Milton Friedman, Ayn Rand.
Diesen fundamentalen Unterschied sollte ein NZZ-Chefredaktor kennen. Ansonsten ist er von der Liberalismus Diskussion intelektuell überfordert, welche die Gebrüder Meili mit ihrem offenen Brief in Sachen Erbschaftssteuer-Abstimmung vom 14. Juni angestossen haben.
Die Gebrüder Meili, selber Millionenerben unterstützten die Einführung der Erbschaftssteuer auf Bundesebene: «Die Erbschaftssteuer ist ein Kind des Liberalismus" sagen sie, und kritisieren die NZZ wegen einer polemisch-tendenziösen Berichterstattung gegen eine echt liberale Forderung.
Schon erstaunlich, während sich NZZ-Chefredaktor Eric Gujer mit undifferenzierten Haltungen zu Grundsatzfragen des Liberalismus profiliert, mischt sich NZZ-CEO Veit Dengler zunehmen in die hiesige politische Diskussion um liberale Grundsatzfragen ein. Am Zürihorn organisiert Dengler mit der freisinnigen Nationalrätin Doris Fiala eine internationale Liberalismuskonferenz. Neos Schweiz? Tja, zumindest hat der Freisinn neben naiven Bernerinnen auch noch schlaue Züricherinnen vorzuweisen.
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