Mit der unlängst publizierten Festschrift hat sich das SNB-Direktorium nicht lumpen lassen. Das sorgfältig gestaltete dreisprachige Werk vereint 27 fachlich hochstehende, auch für Nichtökonomen verständliche Beiträge zu Geld, Geldpolitik, Banken und Finanzen.
Der grosse Festakt mit dem das Direktorium die Ehrengabe für den Grand Old Man der Nationalbank-Ökonomen präsentierte wurde gefilmt, und ist auf der SNB-Webseite abrufbar. Das aufwändige Event liegt ganz auf der Linie von Bundesrat Alain Berset, der die Hälfte der für nationale Kulturpreise budgetierten Millionen nicht an Kulturschaffende verteilt, sondern für medial gepushte Preisverteilungs-Events einsetzt.
Bei allem Respekt für Ernst Baltensberger, bei dem auch Thomas Jordan und Fritz Zurbrügg studierten, die aufwändige Festschrift und der grosse Festakt muss auch als Eigenlob für die SNB-Geldpolitik insgesamt verstanden werden.
Der grosse Abwesende
Der Mann, der Baltensberger 1976 zur SNB holte war nicht da. Kurt Schiltknecht müsse in Lausanne Kinder hüten, so ähnlich sagte Baltensberger in seiner Festansprache.
Schiltknechts Beitrag zum Buch trägt den Titel "Unkonventionelle Geldpolitik: Eine Sackgasse?" Wobei das Fragezeichen überflüssig ist, da der Autor die Meinung vertritt, die Finanz- und Bankenkrise sei mit unkonventioneller Zentralbanken-Geldpolitik nicht lösbar, sprich mit Geldmengenausweitung durch Kauf von Staatsobligationen und der Übernahme von faulen Bankkrediten, ergänzt noch durch regelmässige detailierte Informationen der Zentralbank über die zukünftige Geldpolitik.
Mit der Geldpolitik der Nationalbank haben Schildknechts Ausführungen wenig bis gar nichts zu tun. Mal abgesehen von der UBS-Rettungsaktion kaufte die Nationalbank seit 2008 keine faulen Bankkredite, und schon gar keine Bundesobligationen. Und angesichts der völlig überraschenden Einführung und Aufhebung der Frankenuntergrenze kann auch von einer "Forward-Guidance-Informationspolitik" keine Rede sein.
Die historisch beispiellose Ausdehnung der SNB-Bilanz seit der Finanzkrise 2008 ist die Folge der enormen Eurokäufe, welche die Nationalbank zwecks Schwächung des Aufwertungsdruckes auf den strukturell starken Franken tätigte.
Das heisst, das aus dem Nichts geschöpfte Nationalbank- oder Giralgeld hat bei der SNB nicht marode Bankkredite und Junk Bonds von der eigenen Staatskasse in die Bilanz gespült, wie beim Fed, der EZB und der BoE, sondern Euros, die im Rahmen der Anlagepolitik der Fremdwährungsreserven mitlerweilen in AAA-Obligationen und Aktien verschiedener Währungen gewandelt worden sind.
Der Kauf von internationalen Aktien und Fremdwährungs-Obligationen mit selbstgedruckten Franken machte die Nationalbank, oder besser die Frankenwährung seit der Finanzkrise zu einer der grössten Gewinnerinnen auf den Finanzmärkten. Vor zehn Jahren lagen die Devisenreserven der Nationalbank bei geschätzten 5 Prozent des Gesamtvermögens aller Schweizer Pensionskassen, heute machen die SNB-Devisenreserven ungefähr 90 Prozent der Pensionskassenvermögen aus.
Zwei Beiträge aus der Küche von Schloss Gerzensee
"Die Zukunft des Teilreserve-Bankensystems" lautet der Titel des Textes von Cyril Monnet, Professor an der Uni Bern, Leiter der Doktorandenkurse am Nationalbank-Studienzentrum Gerzensee, sowie SNB-Berater für Finanzstabilität. Auf das zentrale Problem seines Themas für die Nationalbank geht der Autor leider nicht ein.
Dass nämlich das Schweizer Bankensystem die von der Nationalbank vorgeschriebenen Teil- oder Mindestreserven auf Kreditausleihungen um fast 3100 Prozent überschreitet. Immer wenn eine Bank einen Kredit gewährt, muss sie dafür einen vom jeweiligen Kreditrisiko bestimmten Betrag von 1 bis 3 Prozent der Kreditsumme bei der Nationalbank hinterlegen. In absoluten Zahlen bezifferten sich die Mindestreserven des Bankensystems bei der Nationalbank nach neuesten Zahlen im Durchschnitt auf knapp 500 Millionen Franken. Entsprechend den aktuellen Mindestreservesätzen wären jedoch nur etwa 50 Millionen nötig.
Ein Gerzensee-Professor und SNB-Finanzstabilitätsberater der über die Zukunft des Teilreserve-Bankensystems schreibt, darf über die 3100 prozentige Überschreitung der Mindestreserven im Franken-Wirtschaftsraum nicht schweigen.
Die enormen überschüssigen Mindestreserven sind eine Folge der SNB-Geldpolitik. Entstanden als Folge der Mechanik der SNB-Eurokäufe.
Die SNB kauft die Euros nicht direkt bei der EZB, sondern bei privaten Devisenhändlern und bezahlt diese mit selbstgeschöpften Nationalbank-oder Giralgeld. Dieses Giralgeld bleibt auf dem Konto des betreffenden Devisenhändlers bei der SNB. Die Euros für die SNB beschaffen sich die Devisenhändler bei anderen Devisenhändlern gegen Bezahlung mit einer Gutschrift (einem Kredit) auf dem Konto des jeweiligen Lieferanten. Dadurch epandiert sowohl die Menge des Nationalbank- oder Giralgeldes auf den Konten der Banken und Devisenhändler bei der Nationalbank, als auch das vom Bankensystem geschaffene, in der Realwirtschaft zirkulierende Buch- oder Kreditgeld.
E-Franken für alle
"Die Vollgeld-Initiative und eine Alternative", lautet der Titel des zweiten Textes, den ich an dieser Stelle kurz kommentieren möchte, verfasst von Dirk Niepelt, Leiter des Studienzentrums Gerzensee und ebenfalls Professor an der Uni Bern. Darin nimmt Niepelt den Ball der in einem Jahr zur Abstimmung kommenden Vollgeldinitiative auf, und spielt ihn mit einer Variante der Intitiative zurück, dem elektronischen Vollgeld für alle.
Die Vollgeldinitiative will das historisch entstandene kapitalistische Geldsystem abschaffen, gemäss dem der grössten Teil der Geldmenge nicht von der Nationalbank geschöpft wird, sondern durch Kreditvergabe des privaten Bankensystems. Die Initiative will den Banken die aktive Buchgeldschöpfung durch Kreditvergabe verbieten. Banken sollen die Kreditvergabe nicht mehr durch selbstgeschaffene Sichteinlagen in ihrer eigenen Bilanz finanzieren können, sondern nur noch durch Nationalbankgeld. Sämtliche Sichteinlagen des Publikums im Bankensystem sollen nicht mehr nur durch den Minestreservesatz, sondern voll durch Nationalbankgeld gedeckt werden.
Heute haben nur Banken Zugriff auf das Nationalbank- oder Giralgeld. Der E-Franken gäbe neu auch der Allgemeinheit, die bislang nur auf Banknoten zugreifen kann, den freien Zugriff auf die neue Geldsorte. Der E-Franken erlaubt beim Zahlungsverkehr und den Spareinlagen die freie Wahl zwischen dem staatlichen Nationalbankgeld, oder dem privaten Buch- oder Kreditgeld.
Die Währungsreserven der Nationalbank sind gross genug zur Schaffung des nötigen nationalen und internationalen Vertrauens in den E-Franken.
Quantität und Zins des E-Frankens kann die Nationalbank geldpolitisch beeinflussen. E-Franken können ganz oder teilweise als Kryptowährung auf Basis einer Blockchain mit kontrolliertem Zugang emittiert werden. Die technische Infrastruktur wäre Sache einer E-Franken-Transaktionsbank, die den Frankenraum mit den anderen Währungsräumen koppelt.
Die überschüssigen Giroeinlagen des Bankensystems können zu nichtrückzahlbaren, unverzinslichen Darlehen an das E-Bankenemissionsinstitut gewandelt werden, eine neue Nationalbank-Annexanstalt, für die E-Franken Geldpolitik.
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