Als alter Bankenkritiker sag ich chapeau! NZZ-Chefredaktor Eric Gujer geht aufs Ganze.
Die Frontalattacke seiner deutschlandfixierten NZZ auf die frankophile Crédit Suisse (CS) könnte die neutrale Finanzdrehscheibe Schweiz ruinieren, und zum Satelliten des Finanzplatzes Frankfurt im Franken-Währungsraum degradieren.
Vis-à-vis der CS attackiert die NZZ gleichermassen scharf wie Insideparadeplatz, der Online-Newsletter von Lukas Hässig. Doch während der hemmungslose Hässig auch auf dem CS Rivalen UBS herumhackt, tut das die NZZ nicht. Das Verhältnis UBS-NZZ blieb seit der Finanzkrise 2007 in etwa gleich.
Das ist erklärungsbedürftig.
Meine Erklärung geht so: Eric Gujer, der mit Kopf, Herz und Schreibhand in Deutschland lebt, und die intellektuellen und finanzellen Ressourcen der NZZ zunehmend Richtung grosser Kanton verschiebt, ist mit seinem Blatt zwischen Hammer Deutschland und Amboss Frankreich geraten.
Amboss Frankreich? Zugegeben, meine Analyse, dass die Crédit Suisse geopolitisch von Paris aus gesteuert wird, und das der frankophone Tidjane Thiam nicht nur zum Geldverdienen CS-CEO geworden ist, teilt keine und keiner - was aber nicht heisst, dass sie nichts taugt.
Mein einschlägiges raisonnement hier, hier, hier, hier und hier.
Mich erstaunt immer wieder, wie selbst gestandene Wirtschaftsjournalisten den grössten CS-Aktionär Harris Associates als US-Fonds in ihre Argumentationen einführen, bloss weil Harris in Chicago domiziliert ist. Und nicht wahrhaben wollen, dass Harris zu 100 Prozent von Natixis kontrolliert wird, der Investmentbank der französischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken-Zentrale BPCE in Paris.
Seit einigen Jahren sind französische Finanzunternehen daran, ihre Positionen auf dem Finanzplatz Schweiz zu stärken. Neben der BPCE, welche die Führungsrolle in der CS übernommen hat, wäre hier die Kreuzbeteiligung von SIX und Wordline zu nennen. Oder der angekündigte Eintritt von Nathalie Rachou in den Verwaltungsrat der UBS. Rachou ist ein Schwergewicht vom Finanzplatz Paris, seit zwölf Jahren Mitglied des Verwaltungsrats von Société Générale und vorher operativ bei Indosuez und Crédit Agricole.
Jetzt zur Geopolitik im Zeitalter der von US-Präsident Donald Trump angezettelten Wirtschafts-, Handels- und Währungskriege.
Die Realwirtschaft von Frankreich und Deutschland bilden das Fundament des Euro. Doch Schuldner Frankreich hat andere Interessen als Gläubiger Deutschland. Daraus resultiert eine unterschiedliche Geldpolitik, sowohl im Euroland als auch im globalen Wirtschafts-, Handel- und Währungskrieg.
Eine andere Folge der divergierenden französisch-deutschen Finanzinteressen ist die unterschiedliche Bedeutung der französischen und deutschen Euro-Währungspolitik im Franken-Währungsraum. Schuldner Frankreich muss hier anders manövrieren als Gläubiger Deutschland.
Wenn es zutrifft, dass die Pariser BPCE-Chefs ihren Einfluss bei der CS im französischen Landesinteresse wahrnehmen, bekommt Berlin ein Problem.
Hier liegt meines Erachtens der Hase im Pfeffer.
Was in Berlin ein Problem ist, ist auch eines für die Gujer-NZZ, deren Ausland- und Wirtschaftsteil zunehmend aus deutscher Optik geschrieben und redigiert ist. Deshalb darf das Blatt die früher befreundete, einstmals schweizerische, dann amerikanische, heute aber frankophone CS mit solch ätzenden scharfen Recherchen angreifen, wie sie nach 1968 auch unsere revolutionäre Antibankenprosa geschmückt haben.
PS: Diesen Blogpost widme ich dem Gedenken an meinen Ururururgrossvater, also dem Urgrossvater meines Urgrossvaters Christian Trepp (1739-1799). Er wurde Ende Februar 1799 in Splügen von französische Soldaten erschossen. Wie gleichentags auch Theodor Meuli und Thomas Prader in Nufenen. Wie ich dem Kirchenbuch entnehmen konnte, sind die drei am 26. Februar 1799 in ihrem Heimatdorf Nufenen begraben worden. Sie fielen einem schiessfreudigen Spähtrupp von General Claude-Jacques Lecourbe zum Opfer, der in Bellinzona den rechten Flügel der Armée d'Helvetie kommandierte. Am 6. März 1799 gab Obergeneral André Masséna in Sargans den Angriffsbefehl und bereits am 12. März waren die Österreicher aus Chur vertrieben. In diesen sechs Tagen hatten die durchmarschierenden 8000 Soldaten von Lecourbe das Rheinwald, das Schams und das Domleschg buchstäblich leergefressen. In Chur erklärte Masséna den alten Dreibündenstaat als abgeschafft, installierte eine provisorische Regierung aus frankophilen Bündnern, und empfahl dieser Regierung von Frankreichs Gnaden sich doch als Kanton der gerade aus den Ruinen der Eidgenossenschaft auferstandenen Helvetischen Republik in Aarau anzuschliessen.