Mittwoch, 22. Januar 2014

Die historische Schuld des Schweizer Volkes - Eine Theaterkritik

Die beiden Theaterleute Samuel Schwarz und Raphael Urweider haben die SRF wegen eines ihrer Meinung rassistischen Sketchs von Birgit Steinegger eingeklagt.

Zur Begründung schreiben die beiden im heutigen Tages-Anzeiger unter anderem: "Das Schweizer Volk, das sich noch nie irgendeiner historischen Schuld bewusst war und sich angeblich über die angemalte Frau Steinegger amüsiert, verdeckt mit seinem Gegröle vielleicht auch ein Weinen über fehlende Gestaltungsräume."

Hey, was für ein Schwachsinn Theaterleute, Tinnef, dümmer gehts nimmer! Wie können zwei so versierte Spracharbeiter nur einen solchen Satz verbrechen?

Ein "Schweizer Volk", gibt es bekanntlich nicht. Das Land Schweiz ist eine Willensnation mit drei verschiedensprachigen Volksgruppen in der Ost-, West- und Südschweiz, garniert noch mit einigen Rätoromanen. Dazu kommen die Immigranten, zahlenmässig fast ein Viertel der Schweizer Gesamtbevölkerung. Diese weit gefächerten Volksgruppe wird nicht durch ein völkisches Prinzip zusammengehalten, sondern von Geschichte, Gesetz und Bundesverfassung. (Welche historische Mitschuld trägt ein hier geborener Secondo, dessen Eltern in den 1960er Jahren aus Anatolien eingewandert sind, an der Rückweisung jüdischer Flüchtlinge durch die Schweiz im Zweiten Weltkrieg?)

Ohne konkreten Inhalt ist die Wortekombination "historische Schuld" nur eine hohl moralisierende, ideologische Worthülse. Der Begriff "historische Schuld" benötigt einen konkreten historischen Inhalt. Zum Beispiel, der belgische Staat trägt eine historische Schuld an den 12 Millionen Toten des belgischen Kolonialismus im Kongo. Oder: Das Vereinigte Königreich trägt eine historische Schuld an den Dutzenden von Millionen Opfern des Britsh Empire.

Das grölende Schweizer Volk, das sich noch nie irgendeiner historischen Schuld bewusst war, ist eine inhaltslose Aussage, die vor allem ein diffuses Schweiz-Ressentiment der Verfasser transportiert. Ein Ressentiment, das durch die Vulgärpsychologie zum Satzende noch verstärkt wird, wo es heisst, dieses Gegröle sei vielleicht auch ein Weinen über fehlende Gestaltungsräume. 

Tja, das ist wie im (subventionierten) Regietheater, man bedient sich irgendwo im grossen geistigen Selbstbedienungsladen der Weltkultur - hier bei der Unfähigkeit der Deutschen über ihre Verbrechen im Dritten Reich zu Trauern der Mitscherlichs - und mischt das dann kurzerhand in seine eigene Sosse, auch wenn das Gebräu ungeniessbar wird.

Der ganze Rummel um die Klage von Schwarz und Urweider gegen den Steinegger-Sketch steigert vielleicht den Marktwert dieser zwei in den Massenmedien, im Kampf gegen den alltäglichen Rassismus im Zürcher Aussersihl nützt diese Klage nichts.

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