Der Begriff "Plattform" ist eine wichtige Kategorie zur Analyse der digitalen Transformation, die mittlerweilen auch die hintersten Winkel der Welt erfasst, sagen die Internet-Theoretiker Sascha Lobo und Adrienne Fichter.
Auf seinem Blog operiert Sascha Lobo mit dem Begriff "Plattform-Kapitalismus" und versteht darunter den Einsatz digitaler Plattformen zur Profitmaximierung ohne Eigenkapital durch Vermittlung von Wohnungen (AirB&B), Autos (Uber) und anderem.
In gewisser Weise ist dieser Plattform-Kapitalismus eine Neuerfindung des von Walter Eucken während der Zeit des Dritten Reiches entwickelten Ordoliberalismus, den Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard nach Hitlers Höllenfahrt in Form der Westdeutschen Sozialen Marktwirtschaft erfolgreich konkretisierten. Nämlich insofern, als Plattform-Kapitalismus und Ordoliberalismus beide zwingend einen Garanten und Enforcer brauchen. Ohne Google, Apple, Uber & Co. kein Plattform-Kapitalismus, ohne wirtschaftspolitische Leitplanken des Staates kein Ordoliberalismus. (Kleiner Exkurs für Insider: Der aktuelle Krach in der Hayek-Gesellschaft zeigt den Bruch des nach dem Zweiten Weltkrieg zustandegekommenen Kompromisses zwischen der Hayekschen, neoliberalen freien Marktwirtschaft mit den Euckenschen, ordoliberalen sozialen Marktwirtschaft.)
Adrienne Fichter operiert auf ihrem Blog mit dem Begriff "Plattform-Journalismus" und versteht darunter einen neuen Typ von umfassenden nicht kostenpflichtigem Social-Media-Journalismus, wo nach den Vorstellungen der amerikanischen Giganten Google, Facebook & Co. auch die Produkte des NZZ-Journalismus eingegliedert werden sollen.
Als Social-Media-Fachfrau der NZZ sorgt sich Fichter ob dieser Plattform-Journalismus nicht das Geschäftsmodell der NZZ bedroht, die Nachfrage nach Information, Meinung und Unterhaltung mit kostenpflichtigen Qualitätsprodukten zu bedienen. Ob die Devise "Facebook-First" sinngemäss nicht darauf hinausläuft, Perlen vor die Säue zu werfen?
Mal abgesehen davon, dass der nur allzuoft von neoliberalen Dogmen und neokonservativen Vorurteilen getrübte NZZ-Journalismus nicht einfach gut ist, wie Fichter suggeriert, hat sie damit die Existenzfrage der NZZ definiert: digitale Transformation oder Tod.
Soweit sogut, doch was hat das alles mit der Wiedergeburt des Stammtisches als Social Media Plattform zu tun? Nun, der Zusammenhang liegt im Prinzip Platform. Der Stammtisch ist eine realexistierende Kommunikationsplattform für Menschen seit es Gasthäuser gibt. Das Aufkommen der Social Media Kanäle hat diese Stammtischkultur ausgedünnt.
In einem neuen Gastrobetrieb am Helvetiaplatz in Zürich soll jetzt der alte Stammtisch neu erfunden werden. Die Idee ist, die analoge Stammtischdiskussion der Gäste durch die Echtzeitübertragung auf Social Media Kanäle zusätzlich zum authentischen, digitalen Plattform-Journalismus werden zu lassen.
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