Donnerstag, 28. Februar 2013

Chaos in Italien = Aufwertungsdruck auf den Franken

Silvio Berlusconi/Roberto Maroni und Beppe Grillo sind keine "Clowns" wie der deutsche Sozialdemokrat Peer Steinbrück mit teutonischer Arroganz behauptet. Sie sind die Sieger der italienischen Wahlen, mit denen uns die italienischen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zwei Dinge sagen.

Erstens wollen die Italienerinnen und Italiener nicht mehr, dass die zukünftige italienische Regierung die Kosten der Krise in Absprache mit Brüssel dem Volk überwälzt. Das erklärt das relative Comeback der Rechten (Berlusconi/Maroni) und das schwache Abschneiden der anämischen Sozialdemokraten unter Bersani. Der minimale Spread zwischen Berlusconi/Maroni und Bersani ist die eigentliche Überraschung der Wahl. Eine Bersani Regierung welche die bisherige Monti-Austeritätspolitik in Absprache mit der EU gleich weiterführt, wollen die Italiener nicht.

Zweitens wollen die Italienerinnen und Italiener, zusätzlich zur Ablehnung der EU-Austeriätspolitik einen fundamentalen Umbau der Strukturen des italienischen Staates, haben aber dazu, ausser einigen konkreten Programmpunkten, weder ein Konzept noch eine Strategie. Das erklärt den Triumph des M5S von Beppe Grillo.

Was bedeutet das nun für den Wirtschaftsraum Schweiz?

Zum einen bringt der Crash der EU-Politik in Italien eine Vertiefung der Krise des Euro verbunden mit einer weiteren Schwächung der EU. Was die Rolle des Frankens als Fluchwährung wieder verstärkt. Die Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft stehen auf dem Spiel.

Deshalb muss die Nationalbank ihr Instrumentarium zur Verteidigung der Frankenuntergrenze erweitern. Das heisst, sich technisch auf die Einführung von Negativzinsen auf von Ausländern gehaltene Frankenguthaben vorbereiten. Negativzinsen auf Frankenguthaben von Inländern sind dabei auszuschliessen.

Und zum anderen bedeutet die Krise des italienischen Gesamtstaates eine Stärkung der Metropolitanregion Italien Nord. Deshalb müssen die realwirtschaflichen Verbindungen der Schweiz zu dieser Region gestärkt werden. Der teure Gotthard/Monte Ceneri Basistunnel darf nicht bloss dem Güterverker Italien-Deutschland dienen. Ebensowichtig ist der Personenverkehr auf der Achse Zürich Mailand, den Vororten der bedien Metropolitanregionen Italien Nord und Zürich.

Montag, 25. Februar 2013

Negativzinsen im Währungskrieg

Entwarnung, kein Währungskrieg.

In diesem Sinne hat sich unlängst die G-20-Tagung in St. Petersburg verlauten lassen. Wo auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf dank Einladung von Schweiz-Freund Vladimir Putin dabeisein durfte, nicht aber Nationalbankpräsident Thomas Jordan.

Allein, der in St. Petersburg beschworene Währungsfrieden ist bloss ein neoliberales Lippenbekenntnis. Die globale Realpolitik spricht eine andere Sprache.

Regierungen und Zentralbanken der G-20 Staaten betreiben alle eine, mehr oder weniger verdeckte, nationalprotektionistische Wirtschafts- und Geldpolitik mit dem obersten Ziel des Erhaltes bisheriger, und der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ein wichtiges Instrument auf diesem Weg ist die Schwächung der eigenen Währung zwecks Verbilligung der Exporte.

Ob man eine solche Politik Währungskrieg nennen will oder nicht, ist eine Frage der Rhetorik.

Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise vor fünf Jahren löst sich das alte Weltwährungssystem der flexiblen Wechselkurse mit dem US-Dollar als Leit- und Reservewährung schleichend auf.

Klar, Devisenkurse waren noch nie nur das Resultat von Angebot und Nachfrage auf den Märkten, Devisenmärkte sind "schmutzig".  Will heissen, dass nicht nur realwirtschaftliche Faktoren (Handels- und Zahlungsbilanz) die Kurse treiben, sondern auch Staatsinterventionismus und Geopolitik.

Seitdem der offene Ausbruch der Finanzkrise 2008 die Zentralbankenpolitik weltweit revolutionierte, schwächt sich der Einfluss realwirtschaftlicher Faktoren auf die Devisenkurse laufend ab. Heute sind die Kurse hauptsächlich von wirtschafts- und geldpolitischen Interventionen der Regierungen und Zentralbanken bestimmt.

Kommt noch dazu, dass das dollarbasierte alten Weltwährungssystem zusätzlich auch durch den wachsenden Einsatz des chinesische Renminbi als Verrechnungswährung im Welthandel geschwächt wird.

Der Niedergang des alten Weltwährungssystems machte zunehmend auch dem herkömmlichen Typ der politisch neutralen Zentralbank den Garaus, die primär dem stabilen Geldwert und den globalisierten Finanzmärkten verpflichtet ist. Heute sind die Zentralbanken, trotz und gegen aller Schwüre ihrer Präsidenten auf die globalisierten Märkte, primär einer nationalen Wirtschaftspolitik  verpflichtet. Die staatskapitalistischen Institute Peoples Bank of China und Zentralbank der Russischen Föderation sowieso, aber auch das US-amerikanische Federal Reserve System, die Bank of England, oder die Europäische Zentralbank.

Auch die Politik der Schweizerischen Nationalbank passt gut in dieses Bild. Vom Direktoriums gibt es Lippenbekenntnisse zum Vorrang der Geldwertstabilität. In der Realität wird das stabile Geld durch das volkswirtschaftlich geprägte Ziel der Frankenuntergrenze zum Euro unterminiert.

Die seit September 2011 erzwungenen Eurokäufe mit aus dem Nichts geschaffenen Zentralbankengeld haben Umfang und Struktur der Nationalbankbilanz fundamental verändert. Die Währungsreseren sind weltweit am Höchsten und die Giroguthaben etwa 320 in- und ausländischen Banken bewegen sich ebenfalls auf historisch beispielloser Höhe.

Technisch betrachtet, beschafft sich die Nationalbank die Euros, indem sie einer Bank mit Giro-Konto den Auftrag zum Eurokauf und mit selbstgeschöpftem Geld dafür bezahlt. Was in der Bilanz dazu führt, dass die Nationalbank Euros, also höhere Währungsreserven bekommt, während das Nationalbank-Guthaben der betreffende Giro-Bank steigt. Das ist eine Erhöhung der monetären Basis der Frankenwährung, weil das Giralgeld definitorisch zum Zentralbankengeld zählt.

Der unbegrenzte Ankauf von Euros durch die Nationalbank zum definierten Mindestkurs von 1 Franken 20 ist nur zum Preis der unbegrenzten Ausdehnung der Zentralbankengeldmenge zu haben. Wenn sich das hier geschaffene Inflationspotential bislang nicht realisierte, dann darum, weil die Girobanken ihre gestiegenen Guthaben bislang bei der Nationalbank stehen gelassen haben. Sobald die Girobanken beginnen, das Giralgeld in grossem Stil an ihre Kunden zu verleihen, wächst auch die umlaufende Geldmenge und wir haben Inflation, wenn nicht gar Hyperinflation. Umso mehr als die Banken im so genannten fraktionalen (Mindest)Reservesystem pro Giralgeldfranken vielleicht etwa 9 Kreditgeldfranken schöpfen können.

Zur Absicherung des Exportsektors gegen einen Währungsschock braucht die Schweiz nach wie vor eine Kursuntergrenze zum Euro. Darüber sind sich alle politischen Kräfte in der Schweiz einig. mal abgesehen von den Marktfundamentalisten zur Rechten. Gestritten wird höchstens um die Höhe des Interventionskurses. Linke und Gewerkschaften verlangen 1 Franken 30 oder gar 1 Franken 40 zum Euro.

Weitgehend ausgeblendet wird jedoch nur allzuhäufig die unerwünschten Nebenwirkungen der unbegrenzten Eurokäufe, welche die Nationalbank zur Vertedigung der Kursuntergrenze tätigt. Nämlich das wachsende Inflationspotential.

Doppelt erstaunlich wenn man bedenkt, dass die Nationalbank mit den Negativzinsen ein besseres geldpolitische Instrument zur Verfüng hat? Besser, weil die Währungsschwächung mit konfiskatorischen Abgaben für ausländische Frankenkäufer wirksam erreicht wird, ohne dass die Nationalbank Fremdwährungen kaufen muss. Welche dann via die erwähnte Geldschöpfungsmechanik früher oder später zur Geldentwertung führen. Dass die Negativzinsen funktionieren zeigt das Beispiel der Dänische Zentralbank, welche die Dänenkrone seit einiger Zeit mit dem Einsatz variabler Negativzinsen an den Euro binden.

Solche Negativzinsen hat auch die Schweiz Ende der Siebzigerjahre erfolgreich eingesetzt. Damals wurden Frankenanlagen von Ausländern mit einer Zwangsabgabe von 10 Prozent pro Quartal erfolgreich abgeschreckt.

Theoretisch möglich wären auch Negativzinsen auf die Giroguthaben der Banken - was Silvio Gesell im Grabe freut. Damit könnten die Banken diese Kosten auch auf ihre inländischen Kontoinhaber überwälzen. Die Zürcher Kantonalbank hat ihre Reglemente per 1. Januar 2013 dahingehend geändert, dass Negativzinsen rechtlich möglich werden. Hier müsste die Politik dafür sorgen, dass die Kosten des Krisenmanagements nicht nochmehr auf die kleinen und mittleren Sparer abgewälzt werden, die bereits heute faktisch keinen Zins mehr bekommen.

Bemerkenswert ist die Uneinigkeit des Nationalbankdirektoriums in Sachen Negativzins. Während Fritz Zurbrügg am 5. Februar verlauten liess, es werde hierzulande keine Negativzinsen geben, betont Thomas Jordan bei jeder Gelegenheit, die ablsolute Entschlossenheit der Nationalbank  zur Verteidigung der Kursuntergrenze mit allen Mitteln.

Ein Patentrezept sind Negativzinsen nicht. Aber wenn nach Griechenland, Irland, Portugal und Spanien auch noch Italien politisch und wirtschaftlich instabil wird, Frankreich in die Krise abrutscht und, Gott verbiete, auch unser mächtiger nördlicher Nachbar zu wanken beginnt, dann crasht der Euro und der Franken wird aufs Neue zur Fluchtwährung.

Wenn es soweit kommt, verspricht das Instrument der Negativzinsen Abhilfe.

Samstag, 23. Februar 2013

Gianroberto Casaleggio? - Trau schau wem!


Gestern Abend in Rom, an der Abschlussveranstaltung der Wahlkampagne des italienischen Movimento 5 Stelle von Beppe Grillo mit 800'000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, trat erstmals auch Gianroberto Casaleggio auf die Bühne.

Casaleggio, muss man wissen, ist Grillos Vordenker, Politmarketing- und Internetexperte. Ohne dessen Ideen und Expertise wäre der Aufstieg des Internetpolitikers Grillo zu einer relevanten nationalen Kraft der italienischen Politik nicht möglich gewesen. Casaleggio hat Grillos erfolgreiche Mischung aus realer Basisaktion und virtuellem Internet entwickelt. Mit relativ wenig Geld und ohne, ja gegen die grossen Mainstream-Medien in TV und Print.

Casaleggio sprach nur ganz kurz und betonte, dies sei wohl sein letzter Bühnenauftritt für Lange. Er sagte, dass er sich an einer Parole vom Mai 1968 in Paris inspiriere: "La fantasia al potere". Und das Italien drei Dinge brauche, um aus der Krise zu kommen: "transparenza, competenza, onesta".

Tönt gut. Das Links-Rechts-Schema aus dem 19. Jahrhundert ist nicht mehr zukunftsfähig. Sowohl die linken als auch die rechten alten Gewissheiten sind zu Dogmen geworden, die nur sinnlose und destruktive Kämpfe produzieren.

Was im übrigen auch die ganze Schmierenkomödie der "Weltwoche" gegen Tages-Anzeiger-Chefredakor Res Strehle demonstriert. Über Strehle hinaus brandmarkt Köppels rechtsdogmatischer Radikalentrupp die Linke insgesamt. Und will aus den Linksradikalen die schlimmsten Verbrecher der Geschichte machen, schlimmer als Hitler, Mussolini, Kolonialisten, Imperialisten und Faschisten.

Gleichzeitig fehlt überall noch immer eine erfolgversprechende Strategie gegen die Krise und zur Verbesserung der Welt. In dieser Situation ist Casaleggions 68er Parole, Phantasie an die Macht, der bessere Kompass als die Parole Ideologie an die Macht. Paart sich Phantasie mit Transparenz, Kompetenz und Ehrlichkeit, haben wir eine geistige Platform zur Lösung von Problemen.

Allein - Meint es Casaleggio ehrlich? Italienische Freunde warnen mich vor dem Movimento 5 Stelle. Grillos Personenkult sei monströs, seine Organisationsmethoden brutal, er habe zwar einige gute soziale und ökologische Programmpunkte, beschäftige in seiner Kampagne jedoch auch Vertreter des abgewirtschafteten alten Italien. Beispielsweise den renommierten Treuhänder Vittorio Uckmar, der seit Jahren auch mit dem tessiner Treuhandunternehmen Fidinam von Tito Tettamanti zusammenarbeitet.

Ferner gilt es auf den Fall Enrico Sassoon hinzuweisen. Sassoon ist Träger des Namens einer berühmten jüdischen Familie, einstmals Bankiers der Paschas des Osmanischen Reiches in Baghdad, dann im Geschäft mit Tee, Opium und Gewürzen auf den Spuren des britischen Empire in Indien und Hong Kong. Bis im September 2012 war Sassoon im Verwaltungsrat von Casaleggios Firma, bevor er dort mit einem offenen Brief an die Zeitung Corriere della Sera demissionierte. Im offenen Brief hielt er fest, dass die zuvor in lediglich Blogs geäusserten Meinungen in die Mainstreampresse eingesickert seien. Dabei geht es um rassistischen Verleumdungen wegen seines jüdischen Namens.  Sowie um Sassoons angebliche versteckte Agenda der Beeinflussung des Erfolgsblogs von Grillo, der technisch von Casaleggio unterhalten wird. In TV-Shows war Sassoon als Vertreter "starker Kräfte" tituliert, und als Vertreter der "amerikanischen Rechten" bezeichnet worden.

Meint es Casaleggio ehrlich, kann man ihm trauen? Und, taugt seine Phantasie auch zur politischen Praxis, nicht bloss zur Organisation eines unkonventionellen Wahlvereins per Internet? Die Antwort darauf werden uns die Italienerinnen und Italiener geben.

Donnerstag, 14. Februar 2013

Fall Strehle wird auch zum Fall Köppel

Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor der "Weltwoche" legt nach.

Vergangene Woche hat seine "Weltwoche" den Tages-Anzeiger-Chefredaktor Res Strehle im Dunstkreis des linken Terrorismus situiert. Diese Woche taucht Strehle dort im Dunstkreis des linken Antisemitismus auf. (Artikel Online nicht greifbar)

Statt diese happigen Vorwürfe durch eine journalistischen Recherche zu erhärten, mixte die Weltwoche bloss ein denunziatorisches Gebräu.

Das mit dem linken Antisemitismus ist Schwachsinn. Wenn es denn stimmt, das Strehle die Wendung "Prominente Juden im Dienste des Grosskapitals" gebrauchte, dann ist auch Raum für "Prominente Juden im Kampfe gegen das Grosskapital".  Die dann Strehles jüdische Genossen hätten sein könnten.

Neue Fakten zum angeblichen Umgang von "Terroristenversteher" Strehle mit den Terroristen fehlen. Ist er einschlägig vorbestraft? Gibt es Zeugen, oder mindestens aussagekräftige Indizien für möglicherweise illegale Taten? Nein, gibt es nicht.

Dass Strehles alte linksextreme Texte den heutigen rechtsextremen Köppel befremden müssen, ist nur logisch. Seltsam bloss, dass Köppel, der jahrelang mit Strehle zusammenarbeitetete, fast zwanzig Jahre brauchte, um es zu merken.

Nein, eine journalistische Recherche liefert die Weltwoche nicht, nur ein Hetzartikel nach gewissen Vorbilden in der politisch rechtsstehenden, deutschen Tageszeitung "Die Welt", wo Köppel diesen Stil gelernt, und dann, von Tito Tettamanti finanziert, in die Schweiz importierte.

Jenem schwerreichen Tessiner Finanzmann, dem wir nicht bloss die Weltwoche verdanken, sondern auch einen schönen Teil der teuren staatlichen Altlastensanierung auf dem Finanzplatz. Übrigens: Weltwoche-Leser haben einen Anspruch darauf, von Tettamantis Rolle bei der Gründung der Liechtensteiner Fasco AG von Mafiabanker Michele Sindona zu erfahren.

Köppel zeigt sich frustriert darüber, wie wenig "die Abgründe des Linksextremismus" zeitgeschichtlich ausgeleuchtet seien. Und regt sich furchtbar darüber auf, dass Leute, deren Biografie nicht in sein ideologisches Freund-Feind Schema passen, zu bürgerlichem Rang und Namen aufgestiegen sind.

Und davon gibt es einige. Neben Res Strehle seien nur drei, alles längst geoutete Beispiele genannt. Serge Gaillard, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, in seiner Jugend trotzkistischer Maulwurf. Den jugendlichen Linksextremisten und heutigen Anlage-Chef der Zürcher Kantonalbank Marco Curti. Oder - dulcis in fundo - den einstigen Chef der Kommunistischen Partei der Schweiz/Marxisten-Leninisten und heutigen NZZaS-Redaktor Willi Wottreng, der seinerzeit gar die Hand von Enver Hoxha, dem Partei- und Staatschef Albaniens schütteln durfte.

Ginge es nach Köppel, müssten diese, und alle anderen "geistig Verwirrten" alten Linksextremistinnen und Linksextremisten  öffentlich abschwören, und ihre bankrotte Weltschau nach dem Motto, "die besten Kritiker der Elche, waren früher selber welche" dämonisieren.

Mit seinem grossen Hass auf die 68er und 80er vertritt Köppel noch heute die antagonistische Freund-Feind-Ideologie, welche bis zum Untergang der Sowjetunion sowohl Kapitalisten als auch Kommunisten praktizierten. Geistig steckt er noch im Kalten Krieg. Das ist nicht konservativ, sondern reaktionär. Und, darf ich's wagen es zu sagen, erst noch unschweizerisch. Was wir hierzulande zum Überleben brauchen, ist mehr Einheit, nicht mehr Zwietracht.

Im Gegensatz dazu hat der Untergang des Kommunismus die alten Linksextremen gezwungen, okay, nicht ganz alle, sich mit ihren mehr oder weniger grossen geistigen Irrtümern und praktischen Verfehlungen zu konfrontieren, und diese zu verarbeiten. Ganz besonders jene die Karriere im globalisierten Finanzkapitalismus machen wollten.

Köppels Attacke gegen Strehle ist nichts Kreatives, doch trotzdem von Bedeutung, weil die beiden Protagonisten zu den wichtigsten Schweizer Journalisten gehören. Strehle als Chefredaktor der führenden publizistischen Plattform der Metropolitanregion Zürich. Köppel als Chef eines intransparent finanzierten, nationalkonservativ-neoliberalen Kampfblattes.

 Auf Strehles Antwort darf man gespannt sein.

Montag, 11. Februar 2013

Über K-Gruppen 68er und Party 68er in Güllen und Zureich


Lieber Jean-Pierre, scharfsinniger Strafverteidiger, die Antwort-Funktion meines Blogs tut nicht, wie sie sollte. Deshalb meine Antwort als Blogpost.

Du hast recht, dada liegt eine terminologische Unschärfe vor.

Es gilt den 68er Jahrgängerverein von der revolutionären oder K-Gruppen Fraktion zu unterscheiden. Müsste also heissen, Res Strehle agitierte in den Siebzigern noch nicht als Teil der revolutionären Fraktion. Die damals, soviel ich weiss, in Güllen sowieso nicht existierte.

Damit du mich nicht falsch verstehst,  damit will ich keineswegs behaupten, die dogmatischen K-Grüppler seinen die besseren 68er gewesen als die Anarcho-Hedonisten von der Party-Fraktion.

Interessant in diesem Zusammenhang auch die Antworten des Grünen Baden-Würtembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann über seinen Weg von der revolutionären Sektierer beim, nur für Eingeweihte, KBW, zum Schützenkamaraden im Kirchenchor. Wie zu lesen in der gestrigen Sonntagszeitung der Frankfurter Allgemeinen:

Frage: Gab es Zeiten, in denen Sie einen leidenschaftlich ideologischen Zugang zur Politik hatten?

W. Kretschmann: Das war ganz sicher so in der Zeit meiner linksradikalen Verirrung im Kommunistischen Bund Westdeutschlands. Das war eine Polit-Sekte. Um dort mitzumachen, musste man den Blick auf die Welt, wie sie wirklich ist, weitgehend ausschalten.

Frage: Wie ist Ihnen das gelungen?

W. Kretschmann: Diese Frage lässt mich nie ganz los. Jedes Mal, wenn ich einen Zeugen Jehovas mit dem Wachturm stehen sehe, denke ich: Das hast du auch gemacht. Dieses Abgleiten in den autoritären Marxismus-Leninismus kann ich nicht wirklich erklären.

Frage: Wie sind Sie wieder rausgekommen aus der Sekte?

W. Kretschmann: Da hat mir geholfen, dass ich die bürgerlichen Halteseile nie gekappt hatte, von der Kirchenmusik bis zum Schützenverein. Meine Schützenkameraden haben sich damals köstlich darüber amüsiert, dass sie einen linksradikalen Studenten dabei hatten, und wilde Debatten mit mir geführt.

Freitag, 8. Februar 2013

Terrorismus und Journalismus - Der Fall Res Strehle

Diese Woche hat sich die Zeitung "Weltwoche" mit der politischen Vergangenheit von Res Strehle beschäftigt, dem Chefredaktor des Zürcher Tages-Anzeigers, und hat ihn im Dunstkreis des lokalzürcherischen Linksterrorismus der Achtzigerjahre positioniert. (Online nicht greifbar).

Politische Vergangenheit? Jawohl, Strehle hat eine.

Doch die ist nicht negativ zu bewerten, wie die Weltwoche behauptet. Sondern positiv, als eine journalistische Qualität, die wenige Chefredaktionskollegen anderer deutschschweizer Zeitungen vorweisen können. Roger Köppel, Markus Somm, Markus Spillmann oder Andrea Bleicher haben eine brilliante journalistische Karriere, Strehle hat eine gebrochene journalistische Biografie.

Und diese Brüche haben es in sich.

Wenn der Tages-Anzeiger heute auf bestem Wege ist, die serbelnde NZZ als publizistisches Flaggschiff der Metropolitanregion Zürich abzulösen, dann dank Verleger Pietro Supino, Ex-CEO Martin Kall und Chefredaktor Res Strehle.

Der einstige Maschinenstürmer Strehle hat sich zu einem Architekten der erfolgreichen Verschmelzung von Online und Printjournalismus gemausert, wo sich sowohl der wirtschaftliche als auch der publizistische Wettbewerb zwischen NZZ und Tamedia entscheidet.

Dazu muss man wissen, dass die von Strehle 1981 mitbegründete Wochenzeitung WOZ seit 1984 einen Machtkampf von epischer Dimension durchlitt, der 1986 mit dem Abgang der unterlegenen, Strehle-geführten, linksrevolutionären Fraktion endete. Zentraler Streitpunkt, neben Politpositionen wie "Waffen für El Salvador", war die Anschaffung eines Computers für die Administration. Zur Hölle mit dieser Ausgeburt des Schweinesystems, sagte damals die Strehle-Fraktion, damit werden nur die Revolutionäre ausspioniert.

Mit dem Basler-Zeitungs-Redaktor und Buchautor Eugen Sorg als Gewährsmann,  will die Weltwoche wissen, "Terrorversteher" Strehle habe damals die Wohngemeinschaft Neptunstrasse geleitet, eine Schaltstelle zwischen linker Szene und gewalttätigen Gruppen.

Ja lieber Geni, ohne harte Belege sind solch böse Behauptungen bloss giftige Tinte auf toten Bäumen.

Und noch was Geni, wir beide wissen doch nur allzugut, wie in jener fernen Zeit Tererrorversteher, ja vielleicht sogar Terroristen, bei Ringier geradezu massenweise herumschwirrten. Da warten noch einige saftige Enthüllungen für weitere Killergeschichten, die die Weltwoche ja dringend braucht, um ihre schwindende Leserschaft bei der Stange zu halten, so unreformiert marktfundalistisch, unispiriert nationalkonservativ und unverholen amerikahörig, wie das Blatt heute daherkommt.

Festzuhalten gilt, dass sich Strehle selbst an der Nase nehmen muss, wenn die Weltwoche seine Vergangenheit derart einseitig und verzerrt darstellen kann. Seine 2008 erschienenes autobiografische Märchen "Mein Leben als 68er", im Kombipack ausgerechnet mit der Bio seines heutigen Denunzianten Eugen Sorg, ist betreibt Geschichtsklitterung.

Strehle, Jahrgang 1951, ist nach landläufiger Definition kein 68er. Da hat er sich fremde Federn an den Hut gesteckt. In jenem fernen Jahre führte er eine privilegierte jeunesse-dorée-Existenz am Zürichberg. Im antikapitalistischen Kampf der progressiven Mittelschülern war er nicht präsent. Anfangs der Siebzigerjahre brillierte er dann als braver Studi an der kapitalistischen Kaderschmiede in St. Gallen, machte seinen Doktor, wurde wissenschaftlicher Assistent und landete schliesslich Ende des Jahrzehnts als Pressesprecher beim linksliberalen Migrosfrühling des unvergessenen Hans A. Pestalozzi.

68er, auch jene die es später bis zum Chefredaktor schafften, durchliefen in den Siebzigerjahren einen anderen Weg. Sie haben den Marxismus-Leninismus bereits 15 Jahre vor Strehle studiert und praktiziert. Etwa Jürg Wildberger, den wir den Verräter nannten, weil er bereits 1975 zur Finanz und Wirtschaft überlief. Oder Klaus Vieli, der den Weg in die Chefetage über den Alternativjournalismus fand.

Ich meinerseits, lernte Strehle 1976 kennen. Meine damalige Schwägerin hatte mich zum Zügeln mobilisiert, wo der Freund ihrer Freundin, Strehle, ebenfalls mithalf. Unvergessen blieb mir diese, an sich unbedeutende Episode, wegen des nachfolgenden Streites mit meiner lieben Ex-Schwägerin. Weil ich auch Volkswirtschaft studiert habe, hat sie Strehle irgendwie mit mir verglichen, was meinen heftigsten Proteste auslöste. Diesen Vergleich mit dem kleinbürgerlichen Uni-Assistenten vom Zürichberg wollte ich mir als proletarischer Revolutionär nicht bieten lassen, der ich damals in einer Zürcher Maschinenfabrik malochte, um echte Proletarier für den Umsturz zu gewinnen. Diese freiwillige Proletarisierung mag heute abwegig klingen, war aber damals unter intellektuellen Marxisten-Leninisten  gar nicht so selten. Einige davon sind auch Chefredaktoren geworden, etwa Serge July bei der französischen "Libération" oder Thomas Schmid bei der deutschen Tageszeitung "Die Welt".

Nein, zu den radikalpolitisch definierten 68ern gehört Strehle definitiv nicht. Er ist ein 80er. Der Beginn seiner politischen Radikalisierung war die Zürcher 80er Bewegung. Strehles Weg nach Links begann, als die 68er einen mehr oder weniger hohen Preis für ihre gescheiterte Revolution bezahlten, und sich zur bürgerlichen Restkarriere resozialisierten. Wie weit Strehle auf dem Marsch nach Links gekommen ist, was dabei von heute aus gesehen als falsch und richtig taxiert und wie er es heute mit der Gewaltfrage hält, all das bleibt in "Mein Leben als 68er" vernebelt.

Der Fluch dieser Lebenslüge hat ihn erreicht.