Samstag, 23. Februar 2013

Gianroberto Casaleggio? - Trau schau wem!


Gestern Abend in Rom, an der Abschlussveranstaltung der Wahlkampagne des italienischen Movimento 5 Stelle von Beppe Grillo mit 800'000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, trat erstmals auch Gianroberto Casaleggio auf die Bühne.

Casaleggio, muss man wissen, ist Grillos Vordenker, Politmarketing- und Internetexperte. Ohne dessen Ideen und Expertise wäre der Aufstieg des Internetpolitikers Grillo zu einer relevanten nationalen Kraft der italienischen Politik nicht möglich gewesen. Casaleggio hat Grillos erfolgreiche Mischung aus realer Basisaktion und virtuellem Internet entwickelt. Mit relativ wenig Geld und ohne, ja gegen die grossen Mainstream-Medien in TV und Print.

Casaleggio sprach nur ganz kurz und betonte, dies sei wohl sein letzter Bühnenauftritt für Lange. Er sagte, dass er sich an einer Parole vom Mai 1968 in Paris inspiriere: "La fantasia al potere". Und das Italien drei Dinge brauche, um aus der Krise zu kommen: "transparenza, competenza, onesta".

Tönt gut. Das Links-Rechts-Schema aus dem 19. Jahrhundert ist nicht mehr zukunftsfähig. Sowohl die linken als auch die rechten alten Gewissheiten sind zu Dogmen geworden, die nur sinnlose und destruktive Kämpfe produzieren.

Was im übrigen auch die ganze Schmierenkomödie der "Weltwoche" gegen Tages-Anzeiger-Chefredakor Res Strehle demonstriert. Über Strehle hinaus brandmarkt Köppels rechtsdogmatischer Radikalentrupp die Linke insgesamt. Und will aus den Linksradikalen die schlimmsten Verbrecher der Geschichte machen, schlimmer als Hitler, Mussolini, Kolonialisten, Imperialisten und Faschisten.

Gleichzeitig fehlt überall noch immer eine erfolgversprechende Strategie gegen die Krise und zur Verbesserung der Welt. In dieser Situation ist Casaleggions 68er Parole, Phantasie an die Macht, der bessere Kompass als die Parole Ideologie an die Macht. Paart sich Phantasie mit Transparenz, Kompetenz und Ehrlichkeit, haben wir eine geistige Platform zur Lösung von Problemen.

Allein - Meint es Casaleggio ehrlich? Italienische Freunde warnen mich vor dem Movimento 5 Stelle. Grillos Personenkult sei monströs, seine Organisationsmethoden brutal, er habe zwar einige gute soziale und ökologische Programmpunkte, beschäftige in seiner Kampagne jedoch auch Vertreter des abgewirtschafteten alten Italien. Beispielsweise den renommierten Treuhänder Vittorio Uckmar, der seit Jahren auch mit dem tessiner Treuhandunternehmen Fidinam von Tito Tettamanti zusammenarbeitet.

Ferner gilt es auf den Fall Enrico Sassoon hinzuweisen. Sassoon ist Träger des Namens einer berühmten jüdischen Familie, einstmals Bankiers der Paschas des Osmanischen Reiches in Baghdad, dann im Geschäft mit Tee, Opium und Gewürzen auf den Spuren des britischen Empire in Indien und Hong Kong. Bis im September 2012 war Sassoon im Verwaltungsrat von Casaleggios Firma, bevor er dort mit einem offenen Brief an die Zeitung Corriere della Sera demissionierte. Im offenen Brief hielt er fest, dass die zuvor in lediglich Blogs geäusserten Meinungen in die Mainstreampresse eingesickert seien. Dabei geht es um rassistischen Verleumdungen wegen seines jüdischen Namens.  Sowie um Sassoons angebliche versteckte Agenda der Beeinflussung des Erfolgsblogs von Grillo, der technisch von Casaleggio unterhalten wird. In TV-Shows war Sassoon als Vertreter "starker Kräfte" tituliert, und als Vertreter der "amerikanischen Rechten" bezeichnet worden.

Meint es Casaleggio ehrlich, kann man ihm trauen? Und, taugt seine Phantasie auch zur politischen Praxis, nicht bloss zur Organisation eines unkonventionellen Wahlvereins per Internet? Die Antwort darauf werden uns die Italienerinnen und Italiener geben.

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